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Es war ein Ringen bis zur letzten Minute. Einen Tag nach Deutschland legte gestern auch Österreich seinen Zuteilungsplan für Verschmutzungsrechte vor. Umweltminister Josef Pröll und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verhandelten bis in die Morgenstunden. Dabei gab Pröll den Forderungen der Wirtschaft weitgehend nach. Energieerzeuger und Industrie dürfen demnach jährlich 33,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid und andere Schadstoffe gratis ausstoßen.
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Die beiden Parteikollegen sind mit dem Ergebnis zufrieden. Pröll nennt es einen "tragfähigen Kompromiss" und gibt zu, dass er der Industrie und E-Wirtschaft "entgegengekommen ist".
Für Bartenstein ist es die "richtige Antwort auf Klimaschutz und Standortsicherung". Er, der 1998 als Umweltminister die strengen Klimaschutzziele für Österreich verhandelt hat, ist nun in bezug auf das Kyoto-Protokoll zum Skeptiker geworden. Solange die USA, der größte Klimasünder, nicht an Bord sei, "ist es ein Alleingang Europas, der sehr vorsichtig beschritten werden muss." Von übertriebenem Umweltschutz über die EU-Vorgaben hinaus habe man noch rechtzeitig Abstand genommen. Noch heute werde der Allokationsplan der EU-Kommission bekannt gegeben. Wienerberger-Chef Wolfgang Reithofer kommentiert Bartensteins Lage ironisch: "Jetzt muss ein Politiker, der die Umweltziele hochgeschraubt hat, sie als Wirtschaftsminister wieder herunterschrauben."
Umweltschützer und Grüne sind auf den Barrikaden. Die Grünen sprechen von einem "umweltpolitischen Skandal", für Global 2000 ersticken die "Wirtschaftsinteressen den Klimaschutz". Greenpeace nennt den Kompromiss einen Freibrief zur Klimazerstörung.
Die betroffenen Unternehmen bekommen in der Periode zwischen 2005 und 2007 jährlich für 33,1 Mill. t Treibhausgase Gratis-Verschmutzungsrechte, darin sind 300.000 t Reserve für neu entstehende Luftverschmutzer enthalten. Die Aufteilung im Konkreten: 9 Mill. t bekommt die Industrie und 12,4 Mill. t E-Wirtschaft und OMV. Die Voest hat eine absolute Sonderstellung, sie darf mit Zertifikaten für 11,4 Mill. t rechnen. Obendrein einigten sich die Minister, dass 15 Anlagen der Stahlindustrie, Gipshersteller und chemische Industrie mit 800.000 t CO2 überhaupt vom Emissionshandel befreit sind. Zusammengerechnet ergibt das insgesamt 33,9 Mill. t. Pröll musste den Betroffenen um 1,42 Mill. t mehr zugestehen als er ursprünglich wollte. Das Umweltministerium hatte im ersten Entwurf des Allokationsplans nur 32,48 Mill. t Gratis-Schadstoffausstoß zugelassen. Die Wirtschaft forderte Zertifikate für mindestens 34,3 Mill. t.
Doch Industrie und E-Wirtschaft sind nicht die einzigen, die zur Luftverschmutzung beitragen, doch nur sie sind zum Handel mit Emissionszertifikaten, der ab 2005 starten soll, verpflichtet. In den letzten Jahren sind vor allem Lkw- und Pkw-Verkehr rasant gestiegen. Laut Kyoto-Fortschrittsbericht produzierte der Verkehr 2002 rund 21,4 Mill. t an Abgasen, das sind um 8 Mill. t oder um 60% mehr als im Jahr 1990. Die Kohlendioxid-Emissionen stiegen von 12,3 auf 19,9 Mill. t. Der Anteil des Verkehrs an den gesamten Treibhausgasen erhöhte sich von 17 auf 25%. Durch die wachsende Verkehrslawine ist davon auszugehen, dass der Anteil weiter rapid steigt. Pröll schlägt deshalb vor, Biotreibstoffe zu forcieren. Das Problem, meinen Verkehrsexperten, wird damit allein nicht zu bewältigen sein.