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Einigung: Wehrmachts-Deserteure rehabilitiert

Von Michael Schmölzer

Politik

Umstrittene "Tötungs-Klausel" fällt weg. | Wien. SPÖ, ÖVP und Grüne haben sich auf eine generelle Rehabilitierung von Opfern der NS-Militärjustiz geeinigt. In der Frage, wie Wehrmachts-Deserteure zu beurteilen seien, war zuvor lange gestritten worden.


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"Wir wollen Unrecht endgültig beseitigen und vorhandene Lücken schließen", so Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) am Mittwoch. Laut neuem Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz, auf das man sich im Justizausschuss geeinigt hat, gelten alle Urteile der NS-Stand- und Sondergerichte als nicht erfolgt. "Das waren Instrumente des Terrors und hat mit Rechtssprechung nichts zu tun", stellt Bandion-Ortner klar.

Erfasst werden von dem Gesetz auch Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen - Strafen, die von so genannten Erbgesundheitsgerichten verhängt wurden - sowie die Verurteilung von Homosexuellen. Aufgehoben werden generell alle Urteile, in denen "typisch nationalsozialistisches Unrecht" zum Ausdruck kommt, heißt es in dem Gesetz; das gilt gleichermaßen für Österreicher wie für jene Ausländer, die in der NS-Zeit auf heute österreichischem Territorium zu Opfern wurden.

Explizit werden Wehrmachtsdeserteure, Selbstverstümmler, Kriegsdienstverweigerer und so genannte Kriegsverräter - bei letzteren handelte es sich auch um Zivilisten, die etwa eine "Wehrkraft zersetzende" Meinung vertraten - rehabilitiert. Deserteure hätten durch ihre Weigerung, am Krieg teilzunehmen, zur "Schwächung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes" und zur "Befreiung Österreichs" beigetragen, nimmt das Gesetz auf die Moskauer Deklaration 1943 Bezug.

Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass man die kämpfenden Soldaten nicht abwerten wolle. Um das zu unterstreichen, muss eine Entschließung des deutschen Bundestages herhalten, wonach die meisten Soldaten "die Pflicht erfüllen wollten, die sie ihrem Vaterland zu schulden glaubten". Wobei Justizministerin Bandion-Ortner durchaus bewusst ist, dass der Begriff "Vaterland" aus österreichischer Sicht eher nicht zutrifft.

Kritik, wonach sie Deserteure in die Nähe von Mördern gerückt habe, weist Bandion-Ortner zurück: "Ein Missverständnis." Bis zuletzt war unklar, ob das neue Gesetz eine Klausel enthalten soll, wonach Deserteure, die Kameraden getötet haben, von der Rehabilitierung auszunehmen sind. Eine Einzelfallprüfung ist im Bereich der Urteile der NS-Militärjustiz jedenfalls nicht vorgesehen. Wenn jemand im außermilitärischen Bereich auf Basis von NS-Unrecht und gleichzeitig wegen einer Straftat verurteilt wurde, die heute noch als Verbrechen gilt, wird der Einzelfall geprüft. Die Frage der "Wiener Zeitung", ob Nazi-Diktatur und rechtsstaatliche Maßstäbe einander nicht prinzipiell ausschlössen, ließ die Ministerin offen.

Neben den Freiheitlichen ("nicht akzeptabel") übte auch BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler Kritik an dem neuen Gesetz: "Heldenhafte Widerstandskämpfer werden mit Straftätern vermengt", so Stadler.