Die schöne neue "grüne Wirtschaft" bleibt ein Phantasiekonstrukt.
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Wien.
Die Abfallwirtschaft sucht jemanden für das Sekretariat, die EVN sucht einen Juristen für die rechtliche Begleitung von Infrastrukturprojekten im In- und Ausland. Und ein Bio-Vitalhotel sucht unter anderem ein Zimmermädchen. Zu finden sind diese Stellenangebote auf dem "grünen Karriereportal Österreichs" - und werden, trotz ihrer Vielfältigkeit, als "grüne Jobs" angesehen (www.green-jobs.at). Am Mittwoch räumte der Branchenverband Austro Solar für seinen Geschäftsbericht 2011 einen Werbe-Oscar im französischen Cannes ab. Dank der Idee und Umsetzung des Berichts, den man nur unter Sonneneinfluss lesen kann, fällt die Agentur Serviceplan damit zumindest kurzfristig unter - richtig - "Green Jobs".
Mogelpackung
Als "Mogelpackung und Umweltschmäh" kritisiert all das die Arbeiterkammer. Denn Umweltminister Nikolaus Berlakovich spricht oft und gerne von "Green Jobs", von denen es in Österreich angeblich rund 210.000 gibt.
"Tatsächlich aber sind nur 11.601 der rund 210.000 Green Jobs in der Wirtschaftsabteilung der Energieversorgung zu finden", moniert etwa der Umweltbeauftragte der Arbeiterkammer, Sven Hergovich. Dafür rechnet das Umweltministerium 21.300 Handelsangestellte zu den "Green Jobs", weil diese etwa auch Bio-Ware verkaufen, obwohl diese Zurechnung laut offizieller Definition von Eurostat verboten ist.
Doch ein Schulterklopfen für die Schaffung der Green Jobs ist gewiss, einer boomenden Branche, die aber oft nur eine Umetikettierung von bereits Gewesenem ist. Quasi die moderne Version der Midas-Berührung. Ein bisschen auf den Ressourcenverbrauch des Unternehmens schauen - und schon ist es "sustainable" und "grün".
Beim UNO-Umwelttreffen in Rio wollte der Umweltminister laut eigener Aussage das österreichische Konzept der "Green Jobs" vorstellen. Vielleicht ist es ganz gut, dass er sich letztlich entschieden hat, doch nicht nach Brasilien zu reisen. Denn das Konzept der "Green Economy" ist im Rio+20-Gipfel schon schwammig und umstritten genug.
Politischer Kampfbegriff
"Das Problem ist, dass ‚Green Economy‘ inzwischen ein politischer Terminus ist", meint Sigrid Stagl, Professorin am Institut für Regional- und Umweltwirtschaft an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Ein politisches Fangwort, das dazu verwendet werde, Brücken zu schlagen und Unternehmen sowie Kritiker einzugemeinden. "Es wäre besser, von nachhaltigem Wirtschaften zu sprechen", schlägt Stagl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" vor. Da müsse man sich aber dann fragen, was "Nachhaltigkeit" bedeute - ein Wort, das inzwischen ähnlich durch die Propagandamaschine geschickt worden ist wie die "Green Jobs".
Bei Nachhaltigkeit geht es im Kern aber um die Hinterfragung des gegenwärtigen Wirtschaftsmodells, konkret der Messung des Bruttoinlandsprodukts und der Postulierung einer Wirtschaft, die ständig wachsen muss. Das bedeutet aber auch, dass Nachhaltigkeit und "grüne Jobs" so wenig miteinander zu tun haben wie Tag und Nacht. Deswegen kommt der Begriff "grüne Wirtschaft" immer mehr unter Beschuss: Denn es bedeutet für seine Gegner nichts anderes, als dass mit alten wachstumsorientierten beziehungsweise kapitalistischen Konzepten die Zukunft bereits erstickt wird, bevor sie noch begonnen hat. Die "Green Economy" gilt zwar als die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau. Sie schafft qualifizierte Arbeitsplätze. Stimmt nicht, sagt Hergovich von der Arbeiterkammer: "‚Green Jobs‘ sind nicht selten schlecht bezahlte, gesundheitsgefährdende Arbeitsplätze." Auch eine faire Bezahlung ist bei Handelsangestellten debattierbar, auch wenn sie Bio-Produkte verkaufen. Und ob mehr Stromverbrauch und damit die vermehrte Nutzung von Technologiegeräten zu einem besseren Klima führt, ist auch fraglich - auch wenn man für unterwegs seinen iPod mit mobilen Solaranlagen auffüllt. Was bleibt, ist der Unternehmensgewinn in einer Wachstumsbranche. Genau da werden aber wieder Ressourcen verbraucht. "Die eigentliche Herausforderung wäre, nicht alle Ressourcen, die wir haben, zu verbrauchen", erklärt Stagl. In der Wissenschaft spricht man sperrig davon, dass die "assimilative Kapazität der Atmosphäre" bereits überschritten ist. Der Klimawandel ist daher schon da. Grundsätzlich bliebe nur das Zurückrudern und nicht das Weitermachen - auch in einem "grüneren Wirtschaftsumfeld".
Oder, wie es schon Albert Einstein formuliert hat: "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind", untermauert Stagl ihre Position.
Privatisierter Umweltschutz
Ein anderer Problemkreis, der sich mit dem Feld der "Green Economy" auftut, ist, dass Staaten ihre gestalterische Verantwortung an Unternehmen abschieben. "Die Privatwirtschaft zum hauptverantwortlichen Akteur für Nachhaltigkeit zu erklären, hieße, den Bock zum Gärtner zu machen. Gewählte Politiker haben die ureigene Aufgabe, unsere Gesellschaft zu gestalten", heißt es in einer Aussendung der internationalen Naturfreunde.
"Es ist das Business-as-usual-Szenario, das aber unter den gegenwärtigen Umständen unmöglich wird", schreibt auch der Politologe Ulrich Brand. "Die ‚Green Economy‘ wird weder die Umweltprobleme noch die Armut in den Griff bekommen und verstellt den Blick auf die notwendige Entwicklung eines neuen Verständnisses, was wohlhabend noch bedeuten kann."
Green Economy sei vor allem ein willkommener neuer Hafen für Kapital, das im Zuge der Finanzkrise neue Heimaten sucht. Skepsis ist an der Tagesordnung, auch wenn die "Green Economy" vollmundig eine bessere Welt verspricht. Denn: Die politischen Konzepte sind die gleichen geblieben. Wettbewerbsfähigkeit und geopolitische Interessen werden weiter die Rahmenbedingungen schaffen. Technologien werden vor allem unter dem Aspekt des Profits entwickelt - und stehen damit oft diametral dem Nachhaltigkeitsgedanken gegenüber. Ressourcenabbau bleibt an der Tagesordnung.
Indessen geht der Rio+20-Gipfel langsam zu Ende. Eine zentrale Rolle spielt in dem Abschlussdokument das Konzept einer "Green Economy". Die "grüne Wirtschaft" soll in fünf bis zehn Jahren höhere Wachstumsraten bringen als das herkömmliche Modell. Als Paradebeispiel und grüne Erfolgsgeschichte dienen die erneuerbaren Energien, in die 2011 weltweit die Rekordsumme von 257 Milliarden Dollar investiert wurde. Auf diese Branche entfallen inzwischen fünf Millionen Arbeitsplätze. Doch der Begriff wurde hier sinnentleert definiert, klagt Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace Österreich, einer von zehntausenden Teilnehmern am UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro. "Den Staaten zu überlassen, was ‚Green Economy‘ heißt, ist eine Katastrophe. Es gibt keine internationalen Standards. So kann man natürlich auch Atomkraft als umweltschonendes Projekt verkaufen. Solche Dinge hätten hier geklärt werden sollen. Passiert ist nichts. Das ist Wahnsinn. Die ohnehin niedrigen Erwartungen wurden noch einmal unterboten." 1992 sei es zum Beispiel völlig klar gewesen, dass der Planet natürliche Grenzen habe und es Grenzen der Ausbeutung gebe. "Doch jetzt gibt es keine Formulierungen mehr, die diese Grenzen stecken."