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Einmal dabei, immer dabei

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Gutachten ortet breit gestreute Verantwortung. |Acht Vorstände, Aufsichtsräte und Berater sollen Bescheid gewusst haben.


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Wien. Im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Klagenfurt könnte es eng werden: Sollte die Staatsanwaltschaft in der Causa um Hypo-Vorzugsaktiendeals der Jahre 2006 bis 2008 Anklage erheben und dabei dem jüngsten Gutachten des Sachverständigen Karl Hengstberger folgen, müsste sie insgesamt acht ehemalige Vorstände, Aufsichtsräte und Berater der Bank vor Gericht stellen.

Hengstberger geht in dem Gutachten, das der "Wiener Zeitung" vorliegt, von einer breit gestreuten Verantwortung aus. Es scheint das Motto zu gelten: Einmal dabei, immer dabei.

Der Gutachter listet insgesamt 14 Vorzugsaktienverkäufe mit einem Gesamtvolumen von 150,1 Millionen Euro auf, bei denen "laut Aktenlage" schriftliche Nebenvereinbarungen mit den Investoren abgeschlossen worden sein sollen. Aus diesen Nebenvereinbarungen (unter anderem sogenannte Put-Optionen) habe sich für die Hypo "jeweils eine Zinszahlungs- und Rückzahlungsverpflichtung" ergeben. Dadurch hätte das Vorzugsaktienkapital nicht als Eigenmittel in der Bilanz angerechnet werden dürfen.

Hengstberger zieht bei seinen Ausführungen über das mögliche Wissen einzelner Akteure nicht nur in Betracht, wer welche Nebenvereinbarung tatsächlich unterschrieben hat. Er setzt auch voraus, dass jeder Vorstand oder Aufsichtsrat, der ein einziges Mal umfassende Kenntnis von einer solchen Transaktion hatte, verpflichtet gewesen wäre, sich bei jedem weiteren Vorzugsaktien-Verkauf genau über die Details zu informieren.

Zum Beispiel soll Wolfgang Kulterer als Konzernchef gemeinsam mit Hypo-Vorstand Josef Kircher die ersten zwei strittigen Geschäfte (mit dem Unaxis-Konzern und einer Firma des Bauunternehmers Walter Moser) abgeschlossen haben. Dann wechselte Kulterer zwar auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden, Hengstberger geht aber dennoch davon aus, dass Kulterer aufgrund seiner Funktion über elf weitere Deals bis zu seinem Ausscheiden aus der Hypo im Oktober 2007 genau Bescheid wissen musste, da er sich über alle wesentlichen Angelegenheiten zu informieren hatte.

Ausführungen "haltlos"

Stark betroffen von dieser Argumentationslogik sind auch die Vorstände der damaligen Hypo-Miteigentümerin Grawe, Othmar Ederer und Siegfried Grigg. Die oben erwähnte Firma Mosers finanzierte einen Teil ihrer Vorzugsaktien nämlich mit einem Kredit der Grawe-Tochter Bank Burgenland. Die dort Verantwortlichen haben zwar ausgesagt, Ederer und Grigg seien nicht eingebunden gewesen, Hengstberger bezweifelt das aber. Er geht davon aus, dass beide über den gesamten Sachverhalt Kenntnis haben mussten - und auch noch über zwölf weitere Vorzugsaktiendeals, wobei Grigg später tatsächlich eine derartige Nebenvereinbarung mit der Milliardärswitwe Ingrid Flick selbst unterzeichnet haben soll.

Ederer betonte am Mittwoch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", erst 2010 von angeblichen Nebenvereinbarungen erfahren zu haben. Er habe seinerzeit nicht dem Kreditausschuss bei der Bank Burgenland angehört, Hengstbergers Ausführungen wären "haltlos". Grigg wiederum erklärt, beim Moser-Kredit nicht einmal Aufsichtsratsmitglied der Bank Burgenland gewesen zu sein. Beim Flick-Deal seien auch ein Anwalt und der Notar der Hypo anwesend gewesen. Er sei davon ausgegangen, dass die Angelegenheit rechtlich in Ordnung wäre.

Hengstberger ortet auch bei Ex-Hypo-Chef Tilo Berlin mögliches Wissen über einige Vorzugsaktiengeschäfte. Allerdings betont der Sachverständige in Bezug auf sämtliche Betroffene, nur eine "objektiv-funktionelle Betrachtung" - also in Hinblick auf die ausgeübte Funktion - vorzunehmen. Entscheidend beim im Raum stehenden Untreuevorwurf ist das tatsächliche, subjektive Wissen.

Laut Hengstberger soll der Hypo ein unmittelbarer Gesamtschaden von 5,183 Millionen Euro entstanden sein. Alle Betroffenen bestreiten sämtliche Vorwürfe.