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Einmal im Jahr lacht die ganze Welt

Von Sigrun Saunderson

Reflexionen

Schon gehört? - Am 6. Mai ist Weltlachtag. Und wie wird dieser Tag begangen? Mit Kichern, Prusten und schallendem Gelächter natürlich.


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In Indien, Australien, Kanada, Brasilien, den USA und in ganz Europa treffen sich jährlich am ersten Sonntag im Mai lachfreudige Menschen zum globalen Gekicher. Berlin startet bereits am Samstag mit einer "Langen Nacht des Lachens", die in eine Riesen-Lachparty auf der Fischerinsel übergehen wird. In Zürich marschiert eine Lachparade von mehreren hundert Menschen durch die Innenstadt. Los Angeles begeht den Weltlachtag mit Lachwettbewerben und einer halbstündigen Lachorgie von über tausend Menschen im Belvedere Park.

In Wien wird das Gelächter wahrscheinlich aus nur rund 50 Kehlen von der Himmelstraße über die Dächer schallen - eine magere Lachparty, vor allem im Vergleich zu Paris. Hier werden tausende Menschen zum großen Lachen im Rahmen der Pariser Messe erwartet. Zusätzlich wird der Weltlachtag mit Ausstellungen, Symposien, Kino- und Theateraufführungen zum Thema Humor gewürdigt. Kopenhagen lachte sich im Jahr 2000 sogar ins Guinness Buch der Rekorde, als das Gelächter von 10.000 Menschen gleichzeitig über den Rathausplatz klang.

Lachen kann man lernen. Wie bringt man aber so viele Menschen gleichzeitig zum Lachen? Menschen, die vielleicht gar keinen Sinn für Humor oder einfach gerade schlechte Laune haben? Zum Beispiel mit Lachyoga, entwickelt vom indischen Arzt Madan Kataria und seiner Frau Madhuri. Die Übungen lehren das Lachen ohne Grund, das Kinder noch ganz automatisch beherrschen. Mit Lachyoga kommt auch der grantigste Miesepeter ins Kichern, ohne von halblustigen Witzen und Komödianten abhängig zu sein.

Dr. Kataria studierte die gesundheitlichen Auswirkungen des Lachens und war so beeindruckt von dessen Wert für Körper und Seele, dass er 1995 den ersten Lachklub in seiner Heimatstadt in Indien gründete und schließlich 1998 den ersten Weltlachtag ausrief. Seither lacht er sich als "Kicherguru" rund um den Globus, vom Humorkongress in Mumbai zum Lachseminar in Südafrika und weiter zur Lachyoga-Trainer-Ausbildung in New York und in der Schweiz.

Ho-Ho-Hahaha. So fängt der rhythmische Chor der Lachschüler an, begleitet von lautem Klatschen, Grimassen schneiden und einer die Fröhlichkeit fördernden Atemtechnik. Dabei ist es unwichtig, dass das Gelächter zunächst erzwungen ist. "Fake it until you make it" ist die Devise. Nach kurzer Zeit geht simuliertes Lachen in echtes Gelächter über. Und da Lachen in der Gruppe ansteckend ist, endet eine Lachyoga-Session gewöhnlich damit, dass sich die Teilnehmer förmlich zerkugeln. Diese Methode funktioniert im kleinen Rahmen einer Yoga-Klasse genauso wie auf dem Kopenhagener Rathausplatz.

Ein Haufen Verrückter? Von wegen. "Lachen wirkt den negativen Folgen von Stress entgegen und regt das Immunsystem an", weiß Dr. Kataria. Viele seiner Kenntnisse holte er sich aus der Gelotologie, der Wissenschaft des Lachens. Gelotologen beschäftigen sich seit den 1960er-Jahren unter anderem mit den chemischen Prozessen, die das Lachen im Körper auslöst. Sie konnten nachweisen, dass das Lachen die Ausscheidung von Cholesterin fördert, die Produktion der Stresshormone Cortisol und Adrenalin reduziert und an ihrer Stelle Glückshormone freisetzt. Nur wenige Minuten herzhaften Lachens können Schmerzen für mehrere Stunden reduzieren. Herzinfarktkandidaten haben gute Chancen, durch häufiges Lachen einem Infarkt vorzubeugen. Eine Lachsalve hilft bei Allergien und aktiviert körpereigene Botenstoffe, die sogar die Vermehrung von Tumorzellen reduzieren können.

Der Wissenschaftsjournalist Norman Cousins lachte sich in den 1960er-Jahren förmlich gesund, nachdem ihn seine Ärzte wegen einer chronischen Wirbelsäulenentzündung bereits abgeschrieben hatten. Er war im Alter von 50 Jahren nahezu völlig gelähmt. Als er sich selbst täglich mehrere Lachsalven verordnete, besserten sich seine Schmerzen auffällig. Er heilte sich völlig und lebte schließlich noch 25 Jahre, die er unter anderem damit verbrachte, den Menschen das Lachen wieder ans Herz zu legen.

In der Krankenpflege werden die Erkenntnisse der Gelotologie schon längst in die Praxis umgesetzt. Klinikclowns lockern die bedrückende Spitalsatmosphäre auf und helfen den Patienten mit Humor und Gelächter über ihre Schmerzen hinweg. Und auch Psychotherapeuten setzen Humor gezielt in ihrer Therapie ein.

Eine globale Lachbewegung. Nun ist es also auch wissenschaftlich bewiesen: Lachen ist gesund. Das ist natürlich keine neue Entdeckung. Schon vor mehr als 2000 Jahren wusste Aristoteles: "Lachen ist eine körperliche Übung von großem Wert für die Gesundheit." Neu ist allerdings das Lachen mit System, das sich gerade zur internationalen Lachbewegung zu entwickeln scheint. Den ersten Lachklub gründete Lachdoktor Kataria vor zwölf Jahren in einem Park in Indien. Inzwischen gibt es weltweit mehr als 5000 Lachklubs mit insgesamt über 250.000 Mitgliedern.

Wahrscheinlich haben wir diese globale Lachbewegung auch bitter nötig. Studien zufolge lachen wir nämlich heute im Durchschnitt um zwei Drittel weniger als noch vor 40 Jahren. Daneben hängt die Bereitschaft zum Lachen auch von Kulturkreis und Alter ab: In Portugal wird durchschnittlich 18 Minuten am Tag gelacht, in Deutschland 6 und in Österreich nur 3 Minuten. Vorschulkinder ziehen die Mundwinkel bis zu 400 Mal am Tag in die Höhe, Erwachsene nur noch 15 Mal, depressive Menschen so gut wie nie.

Wem das Lachen scheinbar endgültig vergangen ist, der sollte sich schleunigst auf die Suche nach dem nächsten Lachklub machen. Lachklubs sind keineswegs Spaßvereine für einige exzentrische Witzbolde. Hier treffen sich vom Friedhofsgärtner bis zum gestressten Manager, von der Alleinerzieherin bis zur Pensionistin Menschen, die erkannt haben, dass das regelmäßige Lachen ohne Grund ihr Leben bereichert und möglicherweise verlängert.

Auch in Österreich gibt es bereits sechs Lachklubs mit jeweils 20 bis 50 Mitgliedern, die sich meist wöchentlich treffen. Zum Vergleich: In Shenzhen, China, kommen jeden Morgen an die 1000 Menschen für ihre tägliche Dosis Zwerchfellhüpfen im Park zusammen, bevor sie zur Arbeit gehen. Man stelle sich das entspannte Arbeitsklima vor!

Lachen zahlt sich aus. Ausgebildete Lachyoga-Trainer bieten Seminare an, in denen auch der größte Grantscherben das herzhafte Lachen erlernen kann. Diese werden übrigens seit einigen Jahren auch von Unternehmen in Anspruch genommen. Vor allem in Indien, aber auch in Deutschland haben Firmenbosse das Lachen als Motivator Nummer eins erkannt und verwöhnen ihre Mitarbeiter ab und zu mit einem Lachseminar. Denn wer viel lacht, kann mehr leisten. Man ist hoch motiviert, die Kreativität wird angeregt. Lachen entschärft Konflikte und erleichtert das Teamwork: Wer gerade noch mit seinen Arbeitskollegen herzhaft gelacht hat, wird auch besser mit ihnen zusammenarbeiten.

In Österreich werden Lachseminare meist noch als albern abgetan. "Hier muss ich meine Humorseminare unter dem Titel Motivationstraining´ oder Teambuilding´ anbieten, um ernst genommen zu werden", meint Monika Müksch, Schauspielerin, Sängerin, Wirtschaftscoach und seit einigen Jahren überzeugte Lachmuskeltrainerin.

Lachen für den Frieden. Warum aber gleich ein Weltlachtag? - Lachdoktor Kataria: "Es ist unser tiefer Glaube, dass das Lachen die Welt vereinen und damit ein globales Bewusstsein der Brüderlichkeit und der Freundschaft schaffen kann." Am Weltlachtag soll die positive Energie, die das Lachen freisetzt, rund um die Welt laufen und Frieden, Liebe und Gesundheit fördern.

Auch Ellen Müller, Österreichs Lachyoga-Pionierin, sieht in ihrer Fröhlichkeit nicht nur Vorteile für die eigene Gesundheit, sondern für die ganze Welt: "Lachen ist eine Friedensgeste. Sie können nicht gleichzeitig mit einem Menschen lachen und kämpfen." Sie wird den 6. Mai unter besonders viel Gelächter mit anderen Lachbegeisterten am Wiener "Himmel" begehen.

Lachen wir, lacht unsere Umgebung, lacht die Welt. - Also: Heute schon gelacht?