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Einmarschieren geht nicht

Von Michael Schmölzer und Konstanze Walther

Politik

Interventionismus war stets ein wichtiges Mittel der US-Außenpolitik. Die Methoden haben sich aber geändert.


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Washington/Wien. "Es ist möglich, einen Menschen mit bloßen Händen zu töten, aber nur wenige sind geschickt genug, es zufriedenstellend auszuführen." Solche Ratschläge finden sich in dem 19 Seiten umfassenden CIA-Leitfaden über wirkungsvolle Attentate, den die Behörde selbst 1997 veröffentlicht hatte, im Zuge einer Freigabe von Dokumenten über die Intervention 1954 in Guatemala. Der US-amerikanische Geheimdienst rät darin potenziellen Attentätern zu scharfen oder schweren Haushaltsgeräten, um den Mord auszuführen. Aber man könne das Attentat auch wie einen Unfall aussehen lassen, da wäre es am einfachsten, wenn das Opfer aus einer Höhe von mindestens 75 Fuß (umgerechnet 23 Meter) auf einen harten Untergrund fällt. Vor Stürzen von Brücken ins Wasser warnt das CIA-Dokument: "Nicht zuverlässig".

Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich der sogenannte Interventionismus als Säule der US-amerikanischen Außenpolitik gegenüber dem Isolationismus durchgesetzt. Die USA dürfen und sollen sich als internationale Krisen-Feuerwehr betätigen. Einerseits, weil sie die stärkste Macht der Hemisphäre sind. Andererseits, weil sich die westliche Welt mit den Idealen der USA identifizieren kann.

Unruhestifter Iran

Das war zumindest lange Zeit so. Unter Präsident Donald Trump spielen die USA nicht mehr die Rolle des Verteidigers der freien Welt. Im Gegenteil. Trump scheint der Schutz von Demokratie und Freiheit im globalen Maßstab kein großes Anliegen zu sein.

Immerhin hält er den Iran für den großen Unruhestifter im Nahen und Mittleren Osten - Soldaten einmarschieren lassen kann er in den Gottesstaat freilich nicht. Dass Trump das Regime in Teheran stürzen will, wird zwar vermutet, kann aber mit Recht bezweifelt werden. Trump und seine Berater würden eine Revolution im Gottesstaat mit Sicherheit begrüßen, für realistisch wird diese Option kurz- und mittelfristig aber nicht gehalten.

Den USA scheint es vielmehr darum zu gehen, Teheran durch eine harte Sanktionspolitik "weichzukochen" und dann an den Verhandlungstisch zu bekommen, um in der Atomfrage einen für die USA vorteilhaften "Deal" zu erreichen. Dass das kaum funktionieren wird, ist absehbar. Irans Präsident Hassan Rouhani hat in seiner letzten Rede klargemacht, dass man nicht mit einem Messer am Hals zum Verhandlungstisch schreiten werde.

Auch ist das Beispiel Nordkorea ein abschreckendes. Trump hat zuletzt in Singapur ein großes Treffen mit Kim Jong-un inszeniert. Die Berichte, die seitdem vorliegen, legen aber nahe, dass nichts dabei herausgekommen ist. Die in Aussicht gestellte Denuklearisierung Nordkoreas bleibt jedenfalls ein Wunschtraum.

Unter falschen Vorzeichen

Historisch betrachtet haben die USA verschiedene Werkzeuge in ihrem Repertoire, mit dem sie einen Regimewechsel bewerkstelligen können. Die offensichtlichste Variante ist die, mit der Armee in ein Land einzumarschieren, wie das zuletzt 2003 im Irak der Fall war, davor aber auch in Vietnam. Dazwischen gibt es ungeklärte Unfälle oder Attentatsversuche wie im Fall Guatemalas - oder auch Kubas, wo der mittlerweile verstorbene Machthaber Fidel Castro unzähligen, von der CIA geplanten Anschlägen, entkommen sein soll. Oft bekommen die Kräfte, die das den USA nicht genehme Regime stürzen sollen, finanzielle und organisatorische Hilfe. Das war zweifelsohne im Zuge der "Orangen Revolution" in der Ukraine der Fall.

Solche Hilfeleistungen im Hintergrund haben den Vorteil, dass die USA sich international nicht dafür rechtfertigen müssen. Anders natürlich bei einem offiziellen Einmarsch der Armee. Und hier ist bemerkenswert, dass sich die Begründungen, mit denen die USA tätig werden, sehr oft als falsch herausgestellt haben. Bekanntlich wurden im Irak nie Massenvernichtungswaffen gefunden, was Washingtons Image stark geschadet hat. Diese Blamagen könnten die Lust auf offensichtliche Interventionen auch in Zukunft bremsen.

Von "Infektion" keine Spur

Völlig falsch war auch die "Domino-Theorie", die die Vereinigten Staaten in den 1950er Jahren entwickelten und die unter anderem den Einmarsch der USA in Südvietnam rechtfertigen sollte. Der These liegt die Annahme zugrunde, dass ein Land, einmal mit dem "kommunisitischen Virus" infiziert, seine gesamte geografische Umgebung anstecken würde. Man ging also davon aus, dass, sollte Vietnam den Kommunisten in die Hände fallen, Südostasien und später ganz Asien kommunistisch würde. Folglich war Washington wirklich davon überzeugt, in Vietnam die gesamte freie Welt zu verteidigen.

Die Kommunisten setzten sich durch, von einer Infektion ganz Asiens mit dem kommunistischen Virus war freilich keine Rede.

Die Domino-Theorie hat sich trotzdem in unsere Tage herübergerettet: Als es nach den Anschlägen von 9/11 um die Besetzung Afghanistans ging, meinte der damalige britische Außenminister Jack Straw, dass man den Terror dort aufhalten müsse, damit er sich nicht weiter ausbreite.

Den Interventionismus der USA bekam vor allem Lateinamerika zu spüren. Die Monroe-Doktrin (nach US-Präsident James Monroe) propagierte einerseits "Amerika den Amerikanern", außerdem wollte man vordergründig die lateinamerikanischen Republiken vor etwaigem europäischen Einfluss schützen. Der ganze Kontinent sollte so frei von Kolonialismus beziehungsweise Interventionen seitens Europas werden, der Handel zwischen Nord- und Südamerika sollte erblühen. Mit dem Roosevelt-Zusatz 1904 machten die USA aber deutlich, was sie meinten: Nur Washington habe das Recht, in amerikanischen Staaten zu intervenieren.