Zum Hauptinhalt springen

Einmonatige Schulungen sind nicht die Lösung des Problems

Von Martyna Czarnowska

Wirtschaft

Der für die kommenden Jahre prognostizierte Fachkräftemangel zieht unweigerlich eine Zuwanderungsdebatte nach sich. Erst vor zwei Wochen hat Wirtschaftsminister Martin Bartenstein das Kontingent für ausländische Saisonarbeitskräfte erhöht. Mit einem anderen Vorschlag - die Saisonnierregelung auch auf andere Berufszweige auszuweiten - ist er zunächst gescheitert. In einem Punkt trifft sich der Wirtschaftsminister allerdings mit FPÖ, Gewerkschaft und Arbeiterkammer: Dem Arbeitskräftemangel gilt es in erster Linie durch Maßnahmen im Inland zu begegnen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Aufschrei war kein leiser: Nachdem Wirtschaftsminister Bartenstein Ende Mai laut darüber nachgedacht hatte, mehr befristete Arbeitsbewilligungen für AusländerInnen zu erteilen, häuften sich die Proteststimmen. Der Koalitionspartner sprach sich strikt dagegen aus; die Arbeiterkammer betonte, dass mit Zuwanderung lediglich die notwendigen Weichenstellungen im Inland verzögert würden. Der ÖGB verlangte nach einem Expertengipfel zum Fachkräftemangel. Die Wirtschaftskammer gehörte zu den wenigen, die den Bartenstein-Vorstoß begrüßten.

Doppelt so viele Saisonniers

Eine andere Verordnung hat der Wirtschaftsminister bereits unterschrieben. Die Beschäftigung von AusländerInnen im Sommerfremdenverkehr ist damit geregelt; das im April bewilligte Kontingent von 4.785 ausländischen Saisonarbeitskräften ist um fast ein Drittel erhöht worden. Mit 6.190 Beschäftigten ist es doppelt so hoch wie das Vorjahreskontingent.

Während die Tourismussektion ihre Zufriedenheit mit der Erhöhung zum Ausdruck brachte, war die Gewerkschaft weniger begeistert. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst, Rudolf Kaske, wies darauf hin, dass es bereits Ende April in der Tourismusbranche eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 0,8 Prozent gegeben habe. Trotzdem werde das Saisonnierkontingent heraufgesetzt. Dass Betriebe dies begrüßen, ist für Kaske einleuchtend - immerhin seien Saisonniers die billigeren Arbeitskräfte.

Mit der Forderung, verstärkt Arbeitslose statt zusätzliche ausländische Kräfte einzubinden, ordnet sich die Gewerkschaft in die Reihe jener ein, die dafür plädieren, dem Fachkräftemangel mit Maßnahmen im Inland zu begegnen. Aus- und Weiterbildung, eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote oder verstärkte Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen nennt auch das Wirtschaftsministerium als vorrangige Ziele.

Zuwanderung sei nicht die Lösung des Problems, betonte Bartenstein zuletzt, und Sozialminister Herbert Haupt konnte dem nur beipflichten: Integration von Arbeitslosen gehe vor verstärkter Beschäftigung von AusländerInnen.

Auch "qualitatives Defizit"

Mit einmonatigen Weiterbildungskursen ist es allerdings nicht getan, wendet das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ein. Denn es mangle gerade an hochqualifiziertem Personal. Von insgesamt 17.600 offenen Stellen im Jahr 2001 geht die Synthesis Forschungsgesellschaft aus; im April veröffentlichte das Wifo diesbezügliche Zahlen. Die Schätzungen beliefen sich auf rund 27.000 Arbeitskräfte, die die österreichische Wirtschaft bis 2005 jährlich benötige.

Dem quantitativen steht aber auch ein "qualitatives Defizit" gegenüber. "Das Aktivierungspotential ist bei Personen mit einem niedrigeren Ausbildungsstand zwar höher, aber es sind nicht die besten Beschäftigungsverhältnisse", erklärt Helmut Mahringer vom Wifo. Die größten Lücken seien aber in höher qualifizierten Berufen zu finden. Um sie zu schließen, sei auch Kreativität auf Arbeitgeberseite gefragt - wie die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen oder attraktiven Beschäftigungsverhältnissen. Denn, hält Mahringer fest: "Gute Leute sind nicht zu schlechten Bedingungen zu kriegen." Das gelte ebenso für ausländische Arbeitskräfte.