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Einnahmen verloren, Einnahmen gesucht

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Mit der Umkehr der Steuerschuld will Österreich einen Beitrag zur Betrugsbekämpfung leisten.


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Brüssel. Im Kampf gegen Mehrwertsteuer-Betrug wird Österreich noch einige Hürden nehmen müssen. Denn mit seinen Plänen dafür kann es sich in der EU noch nicht durchsetzen. Zwar hat die EU-Kommission mittlerweile Kriterien festgesetzt, nach denen ein Land auch allein Maßnahmen ergreifen könnte, doch ist der Vorschlag für Wien und Prag kaum umsetzbar. Es sind nämlich gerade die Regierungen der zwei Nachbarstaaten, die sich seit langem für eine Regelung zur Umkehr der Steuerschuld ("reverse charge") einsetzen. Doch bei einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel wurde einmal mehr klar, dass sie derzeit nur wenige Verbündete dafür haben.

Was Österreich und Tschechien vor allem anprangern, ist der sogenannte Karussellbetrug. Dafür wirken Unternehmen in mehreren EU-Ländern bei der Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen zusammen, wobei ein Händler der Lieferkette die von seinem Abnehmer bezahlte Umsatzsteuer nicht abführt. Der Empfänger aber kann sich mittels Vorsteuerabzug das Geld von der Finanz zurückholen. Den Verlust für die Staatshaushalte der Union schätzt die Kommission auf 160 Milliarden Euro jährlich, was eine Lücke von zehn Prozent ergibt.

Wien und Prag würden nun gern die Steuerschuld umkehren. Diese würde von der leistenden Firma auf den Leistungsempfänger übergehen und mit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug zusammenfallen. Damit müsste der Käufer und nicht der Verkäufer die Abgabe zahlen. Solch eine Regelung gilt schon in bestimmten Branchen, etwa im Schrotthandel, doch würde Österreich sie gern auf andere Bereiche ausweiten. Dafür braucht es die Genehmigung der EU-Kommission.

Die Brüsseler Behörde knüpft das aber an Bedingungen. Zum einen wäre solch eine Maßnahme zeitlich begrenzt. Zum anderen müsste die Lücke, die zwischen erwarteten und tatsächlichen Mehrwertsteuer-Einnahmen klafft, in dem betroffenen Land um die fünf Prozent mehr betragen als der EU-Schnitt von zehn Prozent. Der österreichische Wert liegt jedoch knapp darunter.

Bei der Zusammenkunft mit ihren Amtskollegen kritisierten daher die Vertreter Österreichs und Tschechiens die Vorgaben. Auch Deutschland sieht die Schutzklauseln als zu strikt an. Selbst bekundete es zwar nicht offen sein Interesse an einem Umkehr-Mechanismus, doch war die Meinung, dass Wien und Prag nicht an dem Pilotprojekt gehindert werden sollten. Ermunterung kam ebenfalls aus der Slowakei und Ungarn.

Umgekehrt befürchten manche Staaten negative Effekte wie Betrugsverlagerung oder hohe Verwaltungskosten. Die Kommission wiederum sähe lieber einen EU-weiten Ansatz zur Bekämpfung der Steuertricksereien. Ihre Ideen dazu will sie heuer vorlegen.

Vorschläge soll sie auch zu einem anderen Thema unterbreiten. Dabei werde sie sich wohl von einem aktuellen Bericht inspirieren lassen, wie es der maltesische Finanzminister Edward Scicluna formulierte. Sein Land hat derzeit den EU-Vorsitz inne. In dem Dokument, das eine Expertengruppe rund um den früheren italienischen Premier Mario Monti erarbeitet hat, geht es um eine Frage, die seit Jahren für Debatten sorgt: Wie kann die Union neue Einnahmenquellen für ihr gemeinsames Budget finden? Denn der Anteil der Mittel, die die EU aus Teilen der Mehrwertsteuer und Zöllen lukriert, ist gering. Die meisten Beiträge leisten die Mitgliedstaaten, die - ihrer Wirtschaftskraft entsprechend - Geld nach Brüssel überweisen. Und das führt dazu, dass die Finanzverhandlungen regelmäßig zu einem zähen Feilschen geraten.

In die nächsten könnte das Monti-Papier schon einfließen. Die Experten zeigen der EU eine Reihe von Möglichkeiten auf, eigene Einnahmen zu generieren. Dazu gehören eine Kohlendioxid-Abgabe oder eine Stromsteuer. Ebenso könnte die Körperschaftssteuer teilweise in den EU-Haushalt fließen. Die Besteuerung von Finanztransaktionen wird ebenfalls als Option genannt. Um die bemüht sich Österreich zusammen mit einer Gruppe von anderen Ländern schon seit Jahren.