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Der politische Preis, den die Regierung in Warschau für ihr Vorgehen zahlen könnte, ist möglicherweise ein hoher.
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Das Video dauert nicht einmal eine Minute. Doch für die Botschaft, die Beata Szydlo anbringen will, reicht die Zeit. In dem kurzen Film geißelt die polnische Premierministerin die Aussagen mancher westeuropäischen Politiker, die für Polen schlicht ungerecht seien. Ihr Land nämlich, sagt Szydlo, sei sehr wohl ein Rechtsstaat und eine Demokratie. Und sehr wohl halte es europäische Werte hoch - wie etwa die Freiheit des Binnenmarktes und des Wettbewerbs.
Woanders freilich wird dies unterschiedlich bewertet. In den vergangenen Tagen musste sich die nationalkonservative Regierung in Warschau viel Kritik anhören. Dazu hat sie auch selbst den Anlass geliefert. Die Einwände der EU-Kommission zu einer umstrittenen Justizreform weist sie als "unbegründet" zurück. Das Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit, das die Brüsseler Behörde eingeleitet hatte, hält sie für überzogen. Das brachte ihr den Vorwurf aus der Kommission ein, an einem Dialog mit der Gemeinschaft gar nicht interessiert zu sein. Aus dem Mund von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron kamen in der Vorwoche deutlichere Schelte: Polen würde sich europäischen Interessen entgegenstellen. Dahinter steckt allerdings nicht zuletzt französischer Eigennutz: Macron wirbt für eine Reform der Regelungen zur Entsendung von Arbeitnehmern, um heimische Unternehmen vor Konkurrenz aus Osteuropa zu schützen. Warschau aber will Änderungen nicht zustimmen.
Die Sorgen um den Rechtsstaat wiegen da schon schwerer. Darauf machte zuletzt sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel aufmerksam, die sich bis dahin mit Unmutsäußerungen zu Polen zurückgehalten hatte. Und nun droht auch neuer Zwist mit Berlin. Der Vorsitzende der Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit), Jaroslaw Kaczynski, denkt immer lauter über die Möglichkeit nach, Reparationszahlungen vom Nachbarland zu fordern. Damit soll für deutsche Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs Buße getan werden. Dass die Ansprüche bereits abgegolten beziehungsweise verfallen seien - wie Deutschland, aber auch so manche Juristen in Polen argumentieren -, lässt Kaczynski nicht gelten.
Auch wenn etliche polnische Oppositionelle und Intellektuelle sich über die Forderung empören, kommt diese in Teilen der Öffentlichkeit durchaus gut an. Doch der politische Preis, den Warschau für sein Vorgehen zahlen könnte, ist möglicherweise ein hoher. Die Verbündeten des Landes in der EU werden rar; und indem die Regierung rund um Premier Szydlo auf ihren Standpunkten beharrt ohne diese glaubwürdig zu argumentieren, läuft sie Gefahr, in der Gemeinschaft nicht mehr ernst genommen zu werden. Polens Einfluss in der Europäischen Union schwindet. Den Wunsch der Bevölkerung spiegelt das dabei nicht wider: Der überwiegende Teil der Menschen ist ausgesprochen zufrieden damit, dass ihr Land EU-Mitglied ist.
Insofern hat Szydlo mit ihrer Video-Aussage, dass Polen proeuropäisch ist, recht. Dass Europa Einigkeit benötige, ist auch nicht falsch. Doch dazu müsste die polnische Regierung ebenfalls einen Beitrag leisten.