Kopenhagen - Dänemarks regierende Sozialdemokraten ringen mit immer fraglicheren Vorschlägen zur Einwanderung und Asylpolitik mit der rechtsradikalen Fortschrittspartei um ihre Popularität.
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Erst verlangte Innenministerin Karen Jespersen, man möge kriminelle Asylbewerber auf einer einsamen Insel isolieren. Kaum war die Ex-Linke aus der 68er-Bewegung dafür am Wochenende bei einer Umfrage zur populärsten Frau des Landes gewählt worden, meldete sich jetzt Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen mit der Forderung zu Wort, Moslems dürften künftig nicht mehr während der Arbeitszeit beten. Noch vor wenigen Monaten hatte sich der Regierungschef den EU-Sanktionen seiner 13 Amtskollegen wegen der Regierungsbeteiligung der österreichischen Rechtspopulisten angeschlossen.
Arbeitgeber und Gewerkschaften in Dänemark konterten auf Rasmussens jünste Vorschläge, dass Gebete islamischer Mitarbeiter im Betrieb nirgendwo ein Problem darstellten. Der Kommentar der linksliberalen "Information": "Verzweifelt sucht die Partei nach einem volksnahen Verkaufsschlager, der sie zu alter Größe zurückführen kann." Doch der von vielen erwartete massive öffentliche Protest blieb vorerst aus.
Dänemark gilt in Europa als eines der Länder mit den restriktivsten Einreisebestimmungen und weist einen Ausländeranteil von nur knapp fünf Prozent auf. Trotzdem aber war die "Fremdendebatte", wie man sie nennt, neben dem Nein der Bevölkerung zum Euro das beherrschende Thema dieses Jahres.
Den Begriff der "Leitkultur" hatte die sozialdemokratische Innenministerin in Kopenhagen schon lange vor deutschen CDU-Politikern für sich entdeckt, als sie von allen Ausländern verlangte, die "Hegemonie" der dänischen Kultur anzuerkennen. Aus den Reihen der einflussreichen sozialdemokratischen Bürgermeister kam die Forderung nach Änderung der UNO-Flüchtlingskonvention, weil sie sich als Hindernis bei der Suche nach zusätzlichen Einreisebeschränkungen erwiesen habe.
Eingebettet ist dieses Debattenklima in äußerst umfangreiche Medienaufmerksamkeit für Straftaten jugendlicher Ausländer. Zwei rohe Gruppen-Vergewaltigungen machten wochenlang Schlagzeilen und führten dazu, dass Rechtspolitiker fast aller führenden Parteien nach härteren Strafen und einer Senkung des Alters für Strafmündigkeit riefen. Wenn dagegen, wie in dieser Woche, ein Club für Somalier per Brandbombe angegriffen wird oder ein dänischer Amokfahrer mit vollem Tempo auf eine Gruppe dunkelhäutiger Fußgänger zusteuert und eines seiner Opfer schwer verletzt, erscheint das überwiegend unter "Kurz notiert".