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Einsparung durch Kassenreform ist laut Rechnungshof gescheitert

Von Martina Madner

Politik

Statt der von ÖVP und FPÖ versprochenen Patientenmilliarde bringt die Fusion Mehrkosten von bis zu 134 Millionen Euro.


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Eigentlich bewertet der Rechnungshof den Plan der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung, mit der Kassenfusion 2018 Synergien zu nutzen, als positiv. Aber schon im Sommer wurde per Rohbericht, der der "Wiener Zeitung" damals vorlag, bekannt: Die von Türkis-Blau angekündigte "Patientenmilliarde" hat sich in Luft aufgelöst.

Mehr noch: Das Ministerium konnte nicht begründen, wie die angekündigten Einsparungen durch die Fusion hätten zustande kommen können. Es kam sogar zu Mehrkosten: "Rechnerisch ergeben sich gegenüber dem Basisszenario ohne Fusion Mehrkosten von 214,95 Millionen Euro im Zeitraum 2020 bis 2023", heißt es vonseiten des Rechnungshofs. "Selbst unter der Annahme, dass die Kosten für den Verwaltungsaufwand auch ohne die Fusion gestiegen wären - etwa inflationsbedingt - (. . .) lässt sich die im September 2018 von der Bundesregierung angekündigte Patientenmilliarde bis 2023 nicht darstellen." Selbst dann mache der Mehraufwand 34,78 Millionen Euro bis 134,10 Millionen Euro aus.

Fehlende Kontrollen und teure Beratung

Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht, dass die Kontrollen "trotz des hohen Gebarungsvolumens der Sozialversicherungsträger von rund 69,358 Milliarden Euro im Jahr 2020" nach der Reform "erheblich geringer ausgebildet" waren als davor. Das Ministerium solle einen Kontrollmechanismus ähnlich der Bankenaufsicht schaffen.

Mit dabei ist auch die Kritik an externen Beratungsverträgen, die das Kabinett Hartinger-Kleins ohne Preisvergleiche vergeben habe. Das größte Honorarvolumen hatte dabei die Österreichische Gebietskrankenkasse (ÖGK) mit 10,60 Millionen Euro in den Jahren 2019 und 2020. "Der durchschnittliche Stundensatz des Beratungsunternehmens war um 80 Prozent höher als der Stundensatz des Unternehmens mit dem zweithöchsten Honorarvolumen, das für die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen tätig wurde." Außerdem sei nach Ausscheiden eines Bewerbers nur mehr der Beauftragte verblieben. Die Verträge über die Beratungsleistungen für die ÖGK habe das Ministerium "ohne Bewertung der Konzepte und ohne Preisvergleich" abgeschlossen.

Bonmots am Rande: Laut Sozialministerium wurden Akten des Kabinetts dazu dem Staatsarchiv übergeben und "für 25 Jahre als Privatakten versiegelt". Ein danach vom Rechtsanwalt an das Sozialministerium übermittelter Datenträger sei im Zuge der Rechnungshofprüfung nicht mehr auffindbar gewesen.

SPÖ spricht vom "bittersten Schmäh aller Zeiten"

Die Reaktionen überraschen nicht. Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sieht sich in seiner Kritik bestätigt: "Der Rechnungshofbericht hat heute meine Zweifel an der Ankündigung einer ‚Patientenmilliarde‘ der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung bestätigt", stellte Rauch in einer schriftlichen Stellungnahme fest. Als Aufsichtsbehörde prüfe das Ministerium die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der laufenden Ausgaben der Sozialversicherungsträger "sehr genau". Die ÖGK versicherte, die Empfehlungen "sehr ernst" zu nehmen, der neu eingerichtete Prüfungsausschuss habe in den vergangenen Monaten bereits mehrfach getagt.

Während FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak das vorzeitige Ende der türkisblauen Regierung für die Mehrkosten verantwortlich machte, sieht SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher die versprochene Patientenmilliarde als "den bittersten Schmäh aller Zeiten" und "glatte Lüge" entlarvt. "Die Sozialversicherung kann sich nicht länger vor Kontrolle und echter Transparenz wegducken", stellte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker fest.