Rad ist nicht gleich Rad. Das wissen vor allem die eingefleischten Fahrrad-Freaks. Denn seitdem auch in Wien der Räder-Boom ausgebrochen ist, findet man alljährlich neue technische Finessen. Der Drahtesel, für manche sogar ein Kultobjekt und Fetisch, ist auch aus unseren Straßen nicht mehr wegzudenken. Die Wiener SPÖ und Grünen gaben sich einen Ruck und versuchen nun zum zweiten Mal einzuführen, was im Jahr 1998 im Ankündigungsstadium stecken blieb: Das "Gratis-Stadtradl" könnte 2003 nun doch Realität werden.
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Man stelle sich vor: Wien im Jahr 2003, an rund 50 Orten innnerhalb des Gürtels samt der Inselbezirke Leopoldstadt und Brigittenau gibt es kleine bunte Fahrräder gegen ein geringes Pfand auszuleihen. Bei jeder Basisstation kann man ein Rad bekommen oder zurückgeben. Kurze Strecken sind damit im Nu zu bewältigen - soweit die Vorteile. Der Nachteil: Die Räder mögen optisch relativ ansprechend sein, bei Nutzung sind sie unbequem. Längere Strecken können nicht zurückgelegt werden, ohne dass man Probleme mit dem Allerwertesten bekommt.
Eine alte Idee wird jetzt wieder aufgewärmt
Doch das Ganze hätte es nicht erst 2003, sondern schon im Jahr 2000 geben sollen. Die Idee ist keineswegs mehr so innovativ, wie sie verkauft wird. Denn schon im Jahr 1998 schwang sich der damalige Verkehrsstadtrat Fritz Svihalek auf das "Gratis-Stadtradl" mit dem Versprechen: "In etwa einem Jahr wird die Stadt Wien mit einem besonderen Zuckerl aufwarten können. Dann wird man sich innerhalb des Gürtels an 220 Standorten ein Gratis-Fahrrad rund um die Uhr ausborgen können." Geplant wurde damals noch im großen Stil. "In der Anfangsphase wird es 2.500 "Stadtradln" geben, damit kann mindestens ein Fünftel der Wiener Bevölkerung von dem Verleihsystem Gebrauch machen. Den Wiener Steuerzahler kostet die Anschaffung der Räder und der Abstellanlagen, sowie das Betreiben des Systems keinen Groschen", hieß es damals nur allzu verheißungsvoll in einer Aussendung.
Radl-Projekt wurde nach der Ankündigung nie umgesetzt
Der letzte Satz ist an Wahrheitsgehalt nicht mehr zu überbieten: Das Radl hat nämlich wirklich keinen einzigen Steuergroschen verschluckt, denn die ganze Sache verlief relativ unbemerkt im Sand. Außer reden war nichts gewesen. Ein pikantes Detail am Rande: Entwickelt hatte das Verleihsystem die Firma Siems Klein KG, die dafür vom ehemaligen Verkehrsminister Caspar Einem und dem VCÖ (Verkehrsclub Österreich) mit dem Mobilitätspreis ausgezeichnet wurde. Dazu muss gesagt werden, dass Wien nicht die einzige Stadt war, die mit dem Gratis-Rad scheiterte. Sowohl in München wurde das Ganze nach einer Probephase abgeblasen und in Amsterdam landeten die City-Bikes im Kanal. Jedoch hierzulande kam es nicht einmal zum Versuch, sondern man gab sich mit dem bloßen Ankündigen und ein paar PR-Photos zufrieden. Und die Bundeshauptstadt wurde damit wieder einmal ihrem Slogan "Wien ist anders" gerecht. "Leider hat Stadtrat Svihalek in seinem Dienstwagen ein tolles Image-Projekt verschlafen", ätzte Grünen-Chef Christoph Chorherr. Weil "Svi" die fünf Millionen Schilling für das Stadtradl nicht auftreiben konnte, bekam er von den Wiener Grünen auch die "Rote Laterne" verpasst.
Doch die Ökopartei lässt nicht locker und will mit der jetzigen Stadtregierung einen zweiten Anlauf wagen. Und diesmal könnte das Unterfangen von mehr Erfolg gekrönt sein, denn es gibt einen Pakt zwischen Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Grünen-Chef Chorherr: Im Rahmen der 23-Gemeinsamen-Projekte wurde das "Stadtrad nach Kopenhagener Vorbild als innovatives Verkehrsprojekt" vereinbart. Aus diesem Grund hat die "Wiener Zeitung" in Kopenhagen recherchiert und das City-Bike auch einem Test unterzogen.
Kopenhagener City-Bikes sind das Vorbild für Wien
Die Stadt Kopenhagen ist ein Paradies für Radfahrer. Es gibt nahezu keine Straße, in der nicht bequem gefahren werden kann. Ein breites Radwegenetz überzieht die ganze Stadt. Im Jahr 1995 startete in Kopenhagen das Stadtrad. Die Idee dazu kam vom Verein "Bycyklen", der dann auch für die Umsetzung verantwortlich war. Das Startkapital kam vom Verkehrsministerium, das zwei Mill. dänische Kronen zur Verfügung stellte. Die Supermarktkette "Netto" und die Zeitung "Politiken" konnten als Sponsoren gefunden werden, wobei sich jeder mit einer Mill. Kronen über drei Jahre beteiligte. Die Stadt selbst leistete keinen finanziellen Beitrag, war aber sonst sehr hilfreich. So wurden die Abstellplätze für die Bikes von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt. Zu Beginn gab es noch 2.000 Räder mittlerweile ist deren Zahl auf 1.200 geschrumpft. 100 Stellplätze verteilen sich auf den innersten Kern der Stadt, wobei darauf geachtet wurde, dass der Maximalabstand 300 Meter beträgt.
Die Kopenhagener Initiative genießt deshalb auch große Akzeptanz, weil sie nicht nur ein Image-, sondern auch ein Sozialprojekt ist. Es gibt eine Kooperation mit einem Verein, der Arbeitslose und Menschen, die am ersten Arbeitsmarkt nicht unterkommen können, beschäftigt. Sie werden zum permanenten Service-Trupp für die City-Bikes ausgebildet. "Die Leute bekommen einen Job und die Reparatur der Fahrräder ist eine sinnvolle Arbeit", erzählt Klaus Hildebrandt, der Geschäftsführer von Bycyklen. Auch wenn er zugibt, dass er ab und zu lieber mit einer professionellen Mannschaft zusammenarbeiten würde. Abgesehen von manchen Fehlgriffen der Mitarbeiter ist das Auftreiben von Sponsoren keine leichte Sache. "Es ist schwerer als wir dachten." Denn zuerst einmal müssen die Zahler überzeugt werden, dass ein Rad als hervorragende Werbefläche dienen kann, weil es in der ganzen Innenstadt herumkommt. Nicht das ganze Jahr ist Bike-Time, zwischen Dezember und Mai werden die Drahtesel eingesammelt und komplett überholt. Bei der Inventur gibt es einen Schwund von 10 Prozent. In der Startphase wurde gar jedes vierte Rad vermisst. Jene Räder mit denen man jetzt in Kopenhagen herumtouren kann, sind schon die zweite Generation, erklärt Hildebrandt. Denn die erste wäre zu schwach konstruiert gewesen, sodass sie ein leichtes Opfer von Vandalismus wurde.
Ein Rad kostet 2.000 Kronen, das sind rund 4.000 Schilling. Wesentlich ist, dass sie keinerlei Ähnlichkeit mit herkömmlichen Rädern aufweisen dürfen, weil sie sonst als Ersatzteillager fungieren oder zur Gänze verschwinden. Deshalb sind sie schwer und klobig konstruiert, damit das Fahrvergnügen nur von kurzer Dauer ist.
Verkehsstadtrat Rudolf Schicker, der in Kopenhagen ebenfalls eine Lokalaugenschein tätigte, ist noch nicht restlos überzeugt: "Die Angelegenheit muss nicht übers Knie gebrochen werden. Ich gebe nur Geld aus, wenn das Konzept tragfähig ist." Und das könne Christoph Chorherr gerne mitprüfen. Der Fahrradverein "Argus" hatte schon ein Angebot gelegt, wäre aber mit 30.000 S pro Rad eindeutig zu teuer gewesen, jetzt ist die Stadt mit einem Event-Marketing-Duo im Gespräch, das erst einmal Sponsoren nachweisen muss. Die Event-Veranstalter seien allerdings die einzigen, die sich außer "Argus" beworben haben. Die Stadt werde auf alle Fälle nur drei Jahre lang Geld zuschießen, danach müssten die Räder auch ohne Subventionen laufen.