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Einstimmig unstimmig

Von Walter Hämmerle

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Gemessen an der nach oben offenen politischen Saubermannskala der Liste Pilz hat die Liste Pilz ein Problem.


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Ein Nationalrat ist ein Nationalrat ist ein Nationalrat. Niemand kann ihm oder ihr dieses Amt wegnehmen, es sei denn, es wird von Rechts wegen entzogen, wozu es derzeit einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Haftstrafe von mehr als einem Jahr bedarf. Das Prinzip des freien Mandats sorgt dafür, dass für die Zeit bis zur nächsten Wahl jeder Abgeordnete sein eigener Herr ist, völlig frei und ungebunden in der Ausübung seiner verfassungsmäßigen Rechte. Wenn der Mandatar es will, können Parteichefs, Landeshauptmänner und Klubobleute rotieren oder explodieren, nur ihm seinen Sitz im Parlament wegnehmen, das können sie nicht.

Nicht einmal ein Listengründer vermag das. Das ist das formale Dilemma des Peter Pilz.

Aber in der Politik gibt es nicht nur formale Spielregeln, sondern auch die normative Kraft der realen Machtverteilung. Aus dieser Perspektive betrachtet ist Pilz nicht nur der Chef seiner eigenen Partei; der ehemalige Grüne, der sich im Frühjahr 2017 mit seiner alten Partei überwarf, war auch praktisch das einzige Wahlmotiv jener 223.543 Bürger, die am 15. Oktober dafür sorgten, dass die Liste Pilz mit 4,4 Prozent der Stimmen in den Nationalrat einzog.

So gesehen hat Pilz jeden nur erdenklichen Anspruch auf ein Mandat. Allerdings hat er auf dieses selbst unter dem Druck von Enthüllungen, in denen ihm von mehreren Frauen sexuelle Belästigung vorgeworfen wird, vor der Angelobung verzichtet. Kein Nationalrat ist kein Nationalrat ist kein Nationalrat.

Entsprechend pikant gemäß der nach oben offenen politischen Saubermannskala der Liste Pilz ist die jetzige Konstellation: Laut dem interimistischen Klubobmann Peter Kolba - noch so ein Job, der eigentlich für Pilz prädestiniert schien - wünschen sich alle acht Abgeordneten der Liste Pilz "einstimmig und einvernehmlich" eine Rückkehr ihres Listengründers in das Parlament. Allerdings dürfte, derzeit jedenfalls, keiner der Betroffenen große Lust verspüren, zugunsten des Chefs auf das eigene Mandat zu verzichten. Nicht einmal Martha Bißmann, die statt Pilz in den Nationalrat nachrückte.

Hinzu kommt, dass die Umstände des Mandatsverzichts die Rückkehr ins Hohe Haus nicht wirklich einfacher machen. Immerhin hat Pilz von sich selbst als "alter weißer Mann" gesprochen und dann, mit Blick auf die eigenen Verfehlungen, auch noch hinzugefügt, "mächtige ältere Männer" müssten lernen.

So gesehen würde es das neue Geschlechterdenken eigentlich erfordern, dass es einen "alten weißen Mann" trifft, der seinen Platz für Pilz im Parlament räumen muss. Die formalen Kriterien, ohne einem der Genannten nahetreten zu wollen, erfüllen wohl die Herren Kolba, Alfred Noll, Wolfgang Zinggl und Bruno Roßmann. Allerdings sind das zugleich auch diejenigen, die der neuen Liste, neben Pilz natürlich, einen Hauch von Bekanntheit und politischer Professionalität verleihen.

Man darf gespannt sein, wie sich Peter Pilz und seine Liste in den nächsten Monaten aus der Affäre ziehen werden. Viel zu gewinnen gibt es politisch dabei nicht. Das spricht für eine Entscheidung mitten im hochsommerlichen August.