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Eintrittstor zur direkten Demokratie

Von Simon Rosner

Politik

Kommt es zu einem Plebiszit über das Rauchen in der Gastronomie, könnte die FPÖ auch bei einer Niederlage jubeln.


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Wien. Die FPÖ steht womöglich vor einer Niederlage. Oder vor einem großen politischen Erfolg, der in der Zweiten Republik eine Zäsur darstellen würde. Die ersten Eintragungstage des Don’t-Smoke-Volksbegehrens, das sich gegen ein Aufweichen des Nichtraucherschutzes in der Gastronomie richtet, haben jedenfalls ein neues Thema aufgemacht, das in den vergangenen Jahren ein Lieblingsthema der FPÖ gewesen ist: die direkte Demokratie.

Die Initiatoren des Volksbegehrens forderten nämlich am Dienstag eine Volksabstimmung zu diesem Thema. Eine solche hatte in Bayern ein umfassendes Verbot zur Folge, FPÖ und ÖVP haben sich hingegen auf ein Modell geeinigt, das weiterhin Ausnahmen erlauben würde.

Im Klub der Freiheitlichen verweist man auch auf diese Vereinbarung mit dem Koalitionspartner. Derzeit werde auch an einem Initiativantrag gearbeitet, heißt es aus dem FPÖ-Klub, um noch vor Inkrafttreten des von der vorherigen Regierung beschlossenen totalen Verbotes am 1. Mai eine neue Regelung zu implementieren. Es ist jedoch fraglich, dass dies tatsächlich auf dem Expressweg ohne parlamentarische Begutachtung passieren wird.

Der Druck auf die beiden Regierungsparteien ist recht groß, nachdem bis Dienstag mehr als 200.000 das Volksbegehren unterstützt haben. Vor allem für die FPÖ. Sie wollte die Aufweichung, sie wollte aber ursprünglich eine verpflichtende Volksabstimmung, wenn rund 250.000 ein Volksbegehren unterschreiben. Müsste sie jetzt nicht auch in Sachen Rauchen dafür eintreten?

Auf diese Frage kommt kein entschiedenes Nein. Klubobmann Walter Rosenkranz sagte: "Wir sind grundsätzlich, und das weiß man, für Instrumente der direkten Demokratie. Da gehört eine Volksabstimmung dazu." Auch Verkehrsminister Norbert Hofer hatte diese Variante erwogen, man scheue kein Plebiszit.

Dilemma für Koalition

Eine Volksabstimmung kann derzeit nur via Nationalrat (einfache Mehrheit) beschlossen werden, da es noch keinen Automatismus gibt, wie ihn die FPÖ wollte - und wie ihn vor Jahren auch Sebastian Kurz als Obmann der Jungen VP noch begrüßte.

Im Regierungsprogramm ist der Ausbau der direkten Demokratie in zwei Schritten vorgesehen. Zuerst sollen Volksbegehren aufgewertet werden, indem die Initiatoren unter anderem ein Rederecht im Parlament erhalten. Gegen Ende der Legislaturperiode soll dann ein System beschlossen werden, das ab 900.000 Unterschriften eine Volksabstimmung vorsieht, sollte das Parlament das Begehr nicht von selbst umsetzen.

Interessant ist, dass die ÖVP ursprünglich auch eine geringere Hürde einziehen wollte als 900.000, man aber offenbar doch lieber Vorsicht walten ließ. Das Werkzeug kann sich schnell auch gegen Vorhaben einer Regierung richten, wie nun im Fall der Raucherregelung zu sehen ist.

Sollte das Don’t-Smoke-Volksbegehren die Marke von 900.000 erreichen, und das scheint realistisch, werden ÖVP und FPÖ schwer argumentieren können, warum es in diesem Fall kein Plebiszit geben sollte, auch wenn es gesetzlich (noch) nicht vorgeschrieben ist.

Es ist zweifellos eine heikle Angelegenheit, aber nicht nur für die FPÖ, sondern für alle Parteien. Die SPÖ war etwa immer für ein totales Rauchverbot in der Gastronomie (und hat dieses mit der ÖVP auch beschlossen). Sie war jedoch auch stets gegen einen so weit gefassten Ausbau der direkten Demokratie, dass das Parlament umgangen werden kann und analog zur Schweiz ein Weg vom Volksbegehren bis zum Plebiszit gesetzlich festgeschrieben wird. Dennoch will die SPÖ in diesem Fall eine Ausnahme.

SPÖ will Volksabstimmung

"Wenn das Endergebnis des Volksbegehrens feststeht und dann Schwarz-Blau den Willen der Bevölkerung trotzdem nicht umsetzen will, soll über eine etwaige Änderung des Nichtraucherschutzes die Bevölkerung mittels Volksabstimmung befragt werden", wird Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner in einer Aussendung des SPÖ-Parlamentsklubs zitiert.

Das klare Ergebnis aus Bayern im Jahr 2010 sowie auch aktuelle Umfragen in Österreich deuten darauf hin, dass die FPÖ eine Volksabstimmung bei diesem Thema verlieren dürfte.

Sie könnte aber dennoch der große Gewinner sein, wenn es ihr gelänge, andere Volksbegehren zu initiieren oder zu unterstützen, die dann auch hunderttausende Unterschriften erhalten. An möglichen Themen mangelt es ja nicht, von Migration bis zu ORF-Gebühren ist vieles denkbar. "Das könnte zu einer Art Probelauf für andere Geschichten werden", sagt der Politikberater Thomas Hofer. "Wenn es die FPÖ geschickt macht, lässt sie das Plebiszit über sich ergehen, um dieses langfristige Ziel zu erreichen."

Dass sich die FPÖ ihr Wahlversprechen einfach abdrehen lässt, ist eher auszuschließen, sie wird etwas dafür bekommen wollen. Das könnte zum Beispiel die Zustimmung des Koalitionspartners zu anderen Plebisziten sein, wenn ein Volksbegehren ausreichend Unterschriften einbringt. "Da ist man sofort in der Moralismusdebatte drin", sagt Hofer. Warum darf man über Rauchen in der Gastronomie abstimmen, aber nicht über ein anderes Thema, das von ähnlich vielen Unterstützern gefordert wird?

Zur Erinnerung: Das bisher erfolgreichste Volksbegehren war jenes gegen den Bau der UNO-City mit 1,36 Millionen Unterschriften, auf Rang vier mit knapp 900.000 Unterstützern kommt das Volksbegehren gegen die Fristenlösung aus 1975. "Wir haben noch gar nicht darüber diskutiert, über welche Themen wir nicht abstimmen sollten", sagt Thomas Hofer. Im Regierungsprogramm ist dazu auch noch wenig festgehalten.

Aus der ÖVP hatte am Dienstag Mandatar Efgani Dönmez erklärt: "Wenn eine große Mehrheit anderer Meinung ist, wird man umdenken." Die Frage der Mehrheit ist freilich auch so eine Sache. Bei der Abstimmung in Bayern zum Rauchverbot in der Gastronomie stimmten zwar 61 Prozent dafür. Die Wahlbeteiligung erreichte aber nur 37 Prozent. Das ist nur etwas mehr als ein Drittel.