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Einübung in Grausamkeit

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Außenminister Kurz und seine Vorschläge.


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Es ist nach einer Woche heftigster Reaktionen - vom Boulevard bis hin zum Papst - nicht sehr originell, die Vorschläge von Außenminister Kurz zu kommentieren. Und dennoch.

Es geht hier nicht darum, noch einmal auf die Menschenrechtswidrigkeit des australischen Modells zu verweisen, das Herr Kurz propagiert. Es geht auch nicht darum, zu wiederholen, was Hans Rauscher geschrieben hat - dass der Kurz’sche Plan auf dem Territorium fremder Leute funktioniert. Und auch der Fußtritt, mit dem sich der Bürgermeister von Lesbos bei Kurz dafür bedanken möchte, ist hinlänglich bekannt.

Wenn hier dennoch noch einmal auf diesen "Vorschlag" eingegangen werden soll - der ja nicht von einer Privatperson, sondern vom amtierenden österreichischen Außenminister getätigt wurde -, dann, um ihn anders zu beleuchten.

Jede politische Äußerung transportiert zwei Informationen: eine semantische und eine emotionale. Bei der Semantik geht es um den inhaltlichen, den sachlichen Gehalt. Bei der emotionalen Information geht es um die affektive Reaktion, die man auslösen möchte. So absurd Kurz‘ Vorschlag inhaltlich auch ist, affektiv war er durchaus durchdacht: Was Kurz hier vorexerziert, ist nichts anderes als eine Einübung in Grausamkeit. Denn Grausamkeit, öffentliche, sichtbare, vollzogene Grausamkeit von staatlicher Seite - das ist in der der hiesigen Gesellschaft nicht wirklich anerkannt. Es ist nichts, was einfach so akzeptiert wird. Deshalb "muss" das Publikum darauf erst einmal eingestimmt werden. Das muss geübt werden.

Begonnen hat diese Übung mit dem Wort von den "hässlichen Bildern". Die hässlichen Bilder, die eine Schließung der Grenzen erzeugen werde. Die hässlichen Bilder, die wir aushalten müssten, um unseres eigenen Wohls willen. Das war das rhetorische Gegenstück zu Bildern wie jenes des toten Kindes am Strand, das so viele Menschen ergriffen und in Bewegung gesetzt hat. Die hässlichen Bilder wurden als Erste in Stellung gebracht, um die Willkommenskultur mit ihrem freundlichen Gesicht und ihrer unschlagbaren Moral abzuwehren. Und nun hat sie nachgelegt, die Zukunftshoffnung der ÖVP. Nun kamen die Sprachbilder.

Insel - das Bild eines Anderswo, eines anderen, eines Nicht-Ortes. Insel suggeriert Absonderung par excellence. Und dann noch gepaart mit der Internierung, dem Internierungslager.

Es geht hier ja nicht wirklich um eine sachliche Lösung, sondern um eine Umcodierung: Ein Problem wird zu einer Bedrohung umgedeutet. Bringt man solche martialischen "Lösungen" ins Spiel, dann suggeriert man umgekehrt eine massive Bedrohung. Das Bild der Internierungsinsel suggeriert: Es muss eine schlimme Bedrohung geben, die so eine Reaktion "erfordert". Ein Bild, das sich gewissermaßen selbst legitimiert. Das war die affektive Information. Der Kurz’sche Vorstoß ist nicht nur eine Produktplatzierung der Marke Kurz. Er ist nicht nur eine Bewerbung um den Titel "erster Hardliner des Landes". Er ist auch die rhetorische Herstellung einer Situation, die eines solchen Hardliners überhaupt "bedarf". Souveränität ist eben grausam, lehrt uns der Außenminister. Da fangen wir besser schon mal mit dem Üben an.