Experte Bauböck zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht. | Familiennachzug wird erschwert. | Es gilt das Recht des Blutes. | Wien. Der Regierung gehe es bei der am Dienstag im Ministerrat beschlossenen Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes nicht um eine Vereinheitlichung der Fristen, sondern darum, die Kontrolle über die Einwanderung auszuweiten, erklärte Rainer Bauböck, Politologe am Institut für europäische Integrationsforschung an der Akademie der Wissenschaften, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Es geht der Regierung weniger um Einbürgerungen als um die Beschränkung des Familiennachzugs."
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Ausländer haben bisher nach einiger Zeit das Recht, ihre Familienangehörigen nachkommen zu lassen. Für Menschen aus Drittstaaten (nicht aus dem EWR-Raum) fällt dieser Familiennachzug unter eine Quote, die für 2005 bei 5460 Personen liegt (um 30 Prozent weniger als im Vorjahr). Wenn aber diese Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft haben, erfolgt der Familiennachzug außerhalb der Quote und ohne Wartezeiten. Im Vorjahr sind auf diesem Weg ca. 23.000 Menschen eingewandert.
Nachgezogene Ehegatten hatten bisher nach drei oder vier Jahren einen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft, weil der zehn Jahre in Österreich lebende Partner entweder selbst schon eingebürgert war, oder weil sie sich gleichzeitig mit ihm oder ihr einbürgern ließen.
Kaskadeneffekt verhindern
Grund für diese Regelung war das Prinzip der Familieneinheit bei der Staatsbürgerschaft. Also die Vermeidung mehrerer Staatsbürgerschaften innerhalb einer in Österreich lebenden Familie. Genau das, so Bauböck, sei in den Augen der Regierung nun ein Problem. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel habe in diesem Zusammenhang von einem Kaskadeneffekt gesprochen, wonach die Nachgezogenen nach der Einbürgerung wiederum Familienmitglieder ins Land holen könnten. Der Regierungsvorschlag sieht nun eine generelle Wartefrist von sechs Jahren für die Einbürgerung von Ehegatten vor.
Die Argumentation von Innenministerin Prokop, dass eine bundesweite Vereinheitlichung der Handhabung notwendig gewesen wäre, lässt Bauböck nicht gelten: Bis 1999 sei zwischen den Bundesländern tatsächlich eine sehr unterschiedliche Anwendung des Gesetzes erfolgt: Zwischen Wien und Vorarlberg gab es eine Kluft bei Einbürgerungen. Rechtlich seien die Bedingungen für eine vorzeitige Einbürgerung aber 1999 geklärt worden und die Zahlen seien seitdem drastisch zurückgegangen.
Unterschiedliche Einbürgerungsraten ergäben sich vor allem aus der Praxis der Behörden, die auch mit dem neuen Gesetz nicht vereinheitlicht werden kann, solange es breites Ermessen gibt und die Durchführung Ländersache ist.
Wo Österreich im europäischen Vergleich nahezu allein dastehe, sei das Beharren auf dem ius sanguinis, dem "Recht des Blutes" oder Abstammungsprinzip. In fast allen vergleichbaren Einwanderungsländern gelte zusätzlich das ius soli, das "Recht des Bodens" oder Territorialprinzip; d.h. dass die Geburt im Land einen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft begründet. Wenn also Österreicher im Ausland Kinder bekommen, sind diese automatisch Österreicher. In Österreich geborene Kinder von Ausländern bleiben dagegen Ausländer. "Österreich hängt da der alten Vorstellung nach, dass es ein Auswanderungskein Einwanderungsland ist", sagt Bauböck.
Staatenlose kann man nicht abschieben
Die Kritik von BZÖ-Obmann Landeshauptmann Jörg Haider am verschärften Staatsbürgerschaftsgesetz geht dahin, dass das Gesetz nach wie vor nichts vorsehe, wie man bestimmten Menschen - etwa Hasspredigern - die Staatsbürgerschaft aberkennen könne.
Für Bauböck geht diese Forderung ins Leere. Denn Personen ohne Doppelstaatsbürgerschaft, die ja in Österreich bei Eingebürgerten nicht toleriert wird, wären bei Aberkennung der Staatsbürgschaft staatenlos. Das widerspreche einerseits der völkerrechtlichen Vereinbarung zur Verhinderung von Staatenlosigkeit, andererseits könne man einen Staatenlosen auch nirgendwo hin abschieben.
In diesem Punkt dürfte sich das Justizministerium gegenüber dem Innenministerium bei der Gesetzesvorbereitung nicht durchgesetzt haben.
Eine größere Zahl betrifft die Änderung des Nachweises des Lebensunterhalts. Menschen, die Notstandshilfe oder Sozialhilfe beziehen, können in Zukunft die Stadtbürgerschaft nicht erwerben. Das treffe gerade jene, die besonderen Bedarf hätten, meint Bauböck. Er verwies etwa auf Bauarbeiter, die in Altersarbeitslosigkeit sind. Hinzu komme, dass in vielen Bundesländern, darunter Wien, Menschen aus Drittstaatenländern gar keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. "Diese Menschen kommen in eine Doppelschere, die Armut erzeugt", warnt Bauböck.
Tatsache sei, dass in Österreich neun Prozent der Bevölkerung mangels österreichischen Passes Menschen zweiter Klasse seien. Sie würden nicht als politisches Klientel gesehen und hätten daher auch keine Vertretung, sagt der Politologe.
Bauböck hält dem die sehr liberale Einbürgerungspolitik Belgiens entgegen: Belgien sei von der Einwohner- und Einwandererzahl her mit Österreich vergleichbar: Dort könne man nach drei Jahren im Ermessensweg eingebürgert werden, nach sieben Jahren habe man einen Rechtsanspruch.