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Einzug in den Präsidentenpalast

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Zehn Jahre Kwasniewski prägten Präsidentenamt. | Zwillingsbrüder werden politische Richtung bestimmen. | Warschau. Feierlich soll es zugehen, fast so feierlich wie in Zeiten der Könige. Wenn Lech Kaczynski morgen, Freitag, als Polens Staatspräsident angelobt wird, erinnert die Zeremonie an die frühere Monarchie. Wie die einstigen Herrscher wird Kaczynski - nach der Vereidigung im Sejm (Parlament) und der Teilnahme an einer Messe in der Johanneskathedrale - von der Kirche in das nahe gelegene Königliche Schloss gehen. Dort erhält er die Insignien vom Orden des Weißen Adlers, der Polens Wappentier ist.


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Weniger festlich wird eine andere Amtsübergabe: die Ablöse Kaczynskis als Warschauer Bürgermeister. Offizielle Zeremonien sind in diesem Fall nicht geplant, unklar ist auch, wer dem Stadtoberhaupt nachfolgt. Interimistisch wird die Funktion Stadtsekretär Miroslaw Kochalski ausüben.

Beliebter Kwasniewski

Mit der Angelobung Kaczynskis geht die Ära Aleksander Kwasniewskis zu Ende. Zehn Jahre war dieser Präsident - eine lange Zeit für das sich stark wandelnde Polen. In seine zwei Amtsperioden fallen der Beitritt des Landes zu Nato und EU, Versuche, das komplizierte Verhältnis zwischen Polen und Juden positiver zu gestalten, oder die Umwälzungen in der Ukraine, wo Kwasniewski vermittelt hat.

Statt innenpolitische Konflikte zu entschärfen, agierte der scheidende Präsident lieber als vielreisender kontaktfreudiger Staatsmann. Das könnte einer der Gründe für seine Popularität sein: Das Vertrauen der Bevölkerung lag in Spitzenzeiten sogar bei 70 Prozent. Sein Image schien nicht einmal unter den zahlreichen Affären innerhalb der ehemaligen Regierungspartei SLD (Bündnis der Demokratischen Linken), der auch er angehörte, zu leiden.

Dafür ist nun Kwasniewskis Abschied von einem Skandal überschattet. In einem Eilverfahren hat er seinen ehemaligen Parteikollegen Zbigniew Sobotka begnadigt, der zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, weil er Dienstgeheimnisse preisgegeben hatte.

Lech Kaczynski wird einen anderen politischen Stil als sein Vorgänger wählen, sind Beobachter überzeugt. Mit ihm komme ein starker aber introvertierter Charakter an die Macht, findet etwa Jan Rokita von der oppositionellen Bürgerplattform. Er wolle ein "ehrliches Polen" aufbauen, sagt Kaczynski selbst. Gleichzeitig möchte er - auch international geäußerte - Vorwürfe entkräften, er sei populistisch, homophob oder gar rechtsextremistisch.

Einer der Faktoren, woran der Erfolg des designierten Präsidenten gemessen wird, ist die Loslösung von seinem Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski. Dieser gilt als Stratege des doppelten Wahlsieges der konservativen Rechtspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die von den Brüdern gegründete Fraktion wurde bei der Parlamentswahl im September stimmenstärkste Partei; Jaroslaw Kaczynski verzichtete aber auf das Amt des Premiers, um die Chancen Lechs bei der Präsidentschaftswahl nicht zu verringern. Als Parteivorsitzender hat er allerdings weiter großen Einfluss.

Auch Lech Kaczynski wolle eine aktive Rolle in der polnischen Innenpolitik spielen, kündigte der künftige Präsident an. Seine erste Auslandsreise wiederum führt ihn in kein europäisches Land. Ein Besuch in den USA steht an.