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Theresa May hat den Ruf einer Hardlinerin, Andrea Leadsom "hasst" die EU.
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London. Gleich zwei "Eiserne Ladies" machen sich zu Beginn dieser Woche Hoffnungen, die Nachfolge David Camerons zu übernehmen. Hauptfavoritin ist Innenministerin Theresa May, die davon ausgehen kann, bei einer ersten Abstimmung der Unterhaus-Fraktion der Konservativen am Dienstag in Führung zu gehen.
Die zweite aber, eine Überraschungskandidatin, ist die bislang wenig bekannte Vize-Energieministerin Andrea Leadsom, die sich bereits als neue Margaret Thatcher der britischen Politik betrachtet. Leadsom gelang es am Wochenende, einen Teil der Parteirechten hinter sich zu sammeln. Sie rechnet damit, in die Schlussauswahl der Fraktion zu kommen: Nur zwei der fünf Kandidaten für die Parteiführung werden der Tory-Mitgliedschaft zur letztgültigen Entscheidung vorgelegt.
Als die Kandidatenliste letzte Woche eröffnet wurde, war Justizminister Michael Gove noch als Hauptrivale Mays eingestuft worden. Gove büßte jedoch in der Partei viel Sympathie ein, weil er auf brachiale Weise den populären ehemaligen Londoner Bürgermeister Boris Johnson zur Strecke gebracht hatte.
Statt von Gove sprachen konservative Abgeordnete zunehmend von Andrea Leadsom. Der Anti-EU-Veteran Sir William Cash nannte Leadsom "die authentische Stimme des Brexits". Lord Tebbit, in den 1980er Jahren ein Vertrauter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher, bezeichnete sie als "die naheliegende Kandidatin" und als eine "im Grunde thatcherische Figur".
Tatsächlich vertritt Leadsom, die lange Jahre im Finanzbereich gearbeitet hat, harte Positionen in der Frage der Reduktion des öffentlichen Sektors, aber auch gegen Immigranten, die ihrer Ansicht nach Britannien "überwältigen" könnten. Sie wurde erstmals in den letzten Wochen durch eine Reihe von Fernsehauftritten fürs Brexit-Camp bekannt und erklärte, sie "hasse" die EU und "die Art und Weise, in der die EU einen fabelhaften Kontinent zerstört".
Leadsom schießt schongegen May quer
In Schwierigkeiten geriet Leadsom freilich am Sonntag, als bekannt wurde, dass sie vor drei Jahren in einer Ansprache ebenso nachdrücklich erklärt hatte, ein britischer EU-Austritt wäre "eine Katastrophe für unsere Wirtschaft" und würde "zu einem Jahrzehnt wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit führen".
Diese Meinung habe sie geändert, weil sie die EU seither als "unreformierbar" erlebt habe, rechtfertigte sich Leadsom am Wochenende. Da sie während der Referendums-Kampagne leidenschaftlich für einen Austritt geworben habe, sei sie als neue Partei- und Regierungschefin mit Sicherheit besser geeignet als jemand, der oder die für den Verbleib in der EU argumentierte - gemeint war damit Innenministerin May.
Denn May, die in der Vergangenheit selbst nie sonderlich viel für die EU übrig hatte, hatte sich beim Referendum auf die Seite der EU-Befürworter geschlagen. Sie war aber kaum an die Öffentlichkeit getreten und will nun, nach eigenem Bekunden, die Ja- und Nein-Sager beim Referendum "versöhnen".
Dass sie den Volksentscheid auch für sich akzeptiere, hat sie bereits klargemacht: "Brexit bedeutet Brexit." Dem hat sie hinzugefügt, dass es "keinen Versuch" geben werde, sich "wieder durch ein Hintertürchen in die EU hineinzuschummeln".
Ein zweites EU-Referendum, meint May, sei damit ausgeschlossen. Sie würde sich als Regierungschefin lediglich darum bemühen, für den Austritt "die bestmöglichen Bedingungen" für Großbritannien zu erhandeln. Freizügigkeit, "wie wir sie bisher hatten", werde es künftig nicht mehr geben. May will ein spezielles "Ministerium für Brexit" einrichten, das sich um die Details der Abkoppelung von der EU kümmern soll.
Kommentatorinnen sprechen schon von einer "femocracy"
Inzwischen glaubt Theresa May bereits über hundert Tory-Abgeordnete - ein Drittel der Fraktion - hinter sich zu haben. Umfragen sprechen ihr knapp die Hälfte der Stimmen in der Mitgliedschaft zu. Das formelle Austrittsgesuch, gemäß Artikel 50 des Vertrags von Lissabon, will May allerdings nicht vor Jahresende stellen. Neuwahlen schließt sie aus: Die würden nur "destabilisierend" wirken, meint die Innenministerin.
Auch Andrea Leadsom hat kein Interesse an Neuwahlen. Sie will aber mit dem Abgang aus der EU nicht länger warten, sondern ihn, im Falle ihrer Wahl, unmittelbar im September einleiten. Im Unterschied zu May sieht Leadsom grundsätzlich keinen Sinn im weiteren Verbleib im EU-Binnenmarkt. Freihandelsverträge mit der EU täten es auch, findet Leadsom. Vorrang habe jetzt ein Ende der freien Zuwanderung vom Kontinent.
Die Wettbüros setzten May auf Position eins und Leadsom auf Position zwei im Tory-Wettstreit. Die Aussicht darauf, erneut eine Frau oder sogar ein weibliches Duo an der Regierungsspitze zu sehen, wurde von Politikerinnen auf der Insel begrüßt. "Vielleicht haben wir ja genug von den Burschen, die hier immer herumalbern", meinte Anna Soubry, Staatssekretärin für Kleinunternehmen. Andere Kommentatorinnen sahen schon eine "femocracy" am Insel-Horizont. Sie verwiesen darauf, dass auch bei der Labour Party Angela Eagle als neue Parteichefin im Gespräch ist.