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Eisige Fernsehwirklichkeiten

Von Sabine Ertl

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Mit der vierteiligen Erlebnis-Dokumentation "Sternflüstern in Sibirien" gesellt sich das ZDF in die Reihe jener Sender, die sich darauf spezialisiert haben, Individuen in gänzlich fremde Umwelten zu verpflanzen. Im schlimmsten Fall erinnert sich das geschulte Fernsehauge an das laufende ATVplus-Experiment "Tausche Familie", in dem sich Menschen in ungewohnten Wohnwelten zurechtfinden müssen. Oder an die RTL-Reihe "Hilfe, ich bin ein Star, holt mich hier raus" (aus dem Dschungel). Das ZDF will nun viel seriöser sein: Zwei deutsche Familien, die Möchels und die Klapproths, fristen für kurze Zeit ein relativ karges Leben am Baikalsee.

Im dritten Teil, der am Dienstagabend ausgestrahlt wurde, ereiferten sich die kinderreichen Familien im Kampf gegen zweistellige Minusgrade und demonstrierten, wie man sich trotz mangelnder Russischkenntnisse prima verständigt (ist denn Deutsch wirklich eine Universalsprache?), was zu tun ist, wenn ein Anorak-Reißverschluss kaputtgeht, und wie traurig es ist, auf Nutella und Müsli zu verzichten. Leider war trotz eindrucksvoller Landschaftsaufnahmen relativ wenig vom Alltag in Sibirien zu sehen. Auch gab es bei den Deutschen keine Spur von Abenteuerlust. Alles inszeniert, möchte man meinen, wären da nicht die Zahnschmerzen von Herrn Klapproth, der sich in der letzten Einstellung fragt: "Ist es leichtsinnig zu bleiben?" Nächste Woche soll im letzten Teil diese Entscheidung fallen, die angesichts des ewigen Geredes von den unmenschlichen Bedingungen in der Fremde ziemlich lächerlich ist. Die Fernsehwirklichkeit ist eben eine andere - und die holt dich immer wieder ein.