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Eklat bei Blockfreien-Konferenz

Von Arian Faal

Politik

Damaskus reagiert erzürnt.|Umstrittener Besuch: UN-Chef Ban ruft Iran zum Einlenken im Atomstreit auf.


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Teheran. Es war ein historischer Moment: Am Freitag stattete mit dem frisch gewählten Muslimbruder Mohammed Mursi erstmals seit Beginn der Islamischen Revolution 1979 ein ägyptisches Staatsoberhaupt dem Schiitenstaat einen Besuch ab. Doch bei seiner Rede auf dem 16. Gipfeltreffen der Blockfreien Staaten (Non Aligned Movement/NAM) sorgte er gleich einmal für einen Eklat. Mursis Äußerung, die Führung in Damaskus unter Präsident Bashar al-Assad sei ein "Unterdrückungsregime", das jede Legitimität verloren habe, quittierten die Gastgeber und die syrische Delegation mit steinerner Miene.

Durch den roten Teppich und den herzlichen Empfang, den ihm die Perser bereiteten, ließ sich Ägyptens Präsident bei seinen Aussagen zu Syrien nicht beeindrucken. Die Unterstützung der Revolution in Syrien sei "eine moralische Pflicht sowie eine politische und strategische Notwendigkeit", polterte er stattdessen.

Mursi verglich den Aufstand der syrischen Regimegegner mit der Intifada der Palästinenser. Den Gipfelteilnehmern redete er ins Gewissen: "Das Blutvergießen in Syrien ist eine Last und eine Verantwortung, die wir auf unseren Schultern tragen, und wir müssen erkennen, dass es nicht enden wird, wenn wir nicht alle gemeinsam etwas dagegen unternehmen." Rund 40 Staats- und Regierungschefs, darunter Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas, nahmen auf höchster Ebene an dem Gipfel, der am heutigen Freitag mit der Präsentation des Abschlusspapiers fortgesetzt wird, teil.

Ganz verscherzen wollte es sich Mursi dann aber doch nicht mit dem Iran und bezeichnete Präsident Mahmoud Ahmadinejad, der von ihm den NAM-Vorsitz übernommen hat, als "seinen lieben Bruder". Die beiden Länder unterhielten über 30 Jahre lang keine diplomatischen Beziehungen. Unter Mursis Vorgänger Hosni Mubarak hatte Ägypten Abstand zum Iran gehalten und geholfen, die Sicherheit Israels zu garantieren. Dafür war das Land am Nil mit westlichen Finanzhilfen bedacht worden. Dennoch hat Mursi mit seiner eigenwilligen und von Tel Aviv und Washington scharf kritisierten Entscheidung, persönlich nach Teheran zu reisen, Tabus gebrochen. Denn obwohl er erst seit 60 Tage im Amt ist, hat er an einigen Säulen, auf denen die ägyptische Außenpolitik in den letzten drei Jahrzehnten stand, schon kräftig gerüttelt.

Affront gegenüber Israel

Er vergrößerte mit seinem Teheran-Besuch den Graben zwischen Ägypten und Israel und bemüht sich gleichzeitig um eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem kommunistischen China. Ob Mursi dem Drängen der US-Regierung hinsichtlich eines baldigen Treffens mit israelischen Politikern nachgeben wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn Mursi weiß, dass er damit einen Teil seiner Wähler vor den Kopf stoßen würde. Schließlich stammt Mursi aus einer Partei, die das "zionistisches Gebilde" Israel bis heute mit Argwohn betrachtet.

Eine am Dienstag öffentlich ausgesprochene Einladung von Außenminister Avigdor Lieberman nach Israel ließ Mursi erst einmal unkommentiert. Sein Sprecher Jassir Ali sagte lediglich, "dass es wichtig sei, die Beziehungen zu allen Staaten zu pflegen. Allerdings fänden die Kontakte mit den einzelnen Staaten auf unterschiedlichem Niveau statt". Gerüchten, wonach es bald wieder eine iranische Vertretung in Kairo geben könnte und umgekehrt hat der heutige Besuch Mursis im Iran Auftrieb gegeben. Am Rande der Konferenz soll beim Verhältnis zwischen Kairo und Teheran, wie iranische Medien berichteten, "eine neue Epoche" eingeläutet werden.

Für weitere Aufregung auf dem Blockfreien-Treffen sorgte die UNO-Kritik des Obersten geistlichen Führers des Iran, Ayatollah Ali Khamenei. Bei der Eröffnung des Gipfels meinte er im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der Weltsicherheitsrat übe eine "offensichtliche Diktatur" aus. Das Gremium habe eine "irrationale, ungerechte und vollkommen antidemokratische Struktur". Zugleich versicherte Khamenei, der Iran werde "niemals nach Atomwaffen streben", aber auch nicht auf sein Recht zur friedlichen Nutzung der Nukleartechnologie verzichten. "Unser Motto lautet Atomenergie für alle und Atomwaffen für niemanden", so Khamenei. Laut dem am Donnerstag veröffentlichten Quartalsbericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO hat der Iran allerdings die Zahl der Uranzentrifugen in der Anreicherungsanlage Fordo seit Mai auf 2140 Einheiten verdoppelt.

Teheran erhofft sich von dem Gipfel auch Unterstützung gegen die Sanktionen des Westens. Die Chance auf einen Fortschritt im Atomstreit ist aber gering. Im IAEO-Report heißt es, bei den Gesprächen mit dem Iran seien in diesem Jahr "keine konkreten Ergebnisse erzielt" worden.