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El Niño macht Süßes teurer

Von Nitesh Shah

Gastkommentare

Die globalen Auswirkungen des Wetterphänomens auf Agrarrohstoffe.


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El Niño bezieht sich auf einen Klimakreislauf im Pazifischen Ozean, der globale Auswirkungen auf die Witterungsverläufe hat. Der Name, der frei übersetzt "Das Christkind" bedeutet, geht auf peruanische Fischer in den 1600er Jahren zurück, die beobachteten, dass der Fischertrag häufig um die Weihnachtszeit herum zurückging, wenn die Wassertemperaturen anstiegen. Zu den Effekten von El Niño gehören bestimmte Windströmungen über dem Pazifischen Ozean, starker Regen in Südamerika und Dürren in Australien sowie Teilen von Asien, darunter Indien und Indonesien.

Nachdem die NOAA, die Wetter- und Ozeanbehörde der USA, vorausgesagt hat, dass es während des heurigen Winters auf der nördlichen Halbkugel mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent zum Wetterereignis El Niño kommen wird, stehen die Chancen gut, dass wir in den kommenden Monaten einige ungewöhnliche Wetterphänomene beobachten können.

El Niño kann erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Agrarindustrie haben, da der Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse stark von den Witterungsverläufen abhängt. Für die Produktion des optimalen Ertrags kommt es auf das richtige Quantum an Sonnenlicht und Regen zum richtigen Zeitpunkt an. So können beispielsweise Dürren aufgrund des Wassermangels eine Ernte vernichten, während Überschwemmungen Pflanzen wegspülen oder den Ernteprozess verzögern und zu einer Vernichtung der Erzeugnisse führen können.

Wahrscheinlich noch im Winter

Wenngleich El Niño beträchtliche Auswirkungen auf die Preise von Agrarrohstoffen haben kann, hängt der spezifische Effekt auf einen bestimmten Rohstoffpreis von Umfang und Zeitpunkt von El Niño sowie von mehreren Standortfaktoren ab, zum Beispiel davon, wo die Feldfrüchte gewachsen sind und wie gut die Bauern auf extreme Witterungsverhältnisse vorbereitet sind.

Bei der Beurteilung der wahrscheinlichen Auswirkungen von El Niño sollte als erster Schritt der Zeitpunkt des Jahres berücksichtigt werden, in dem das Wetterphänomen wahrscheinlich beginnt. Die NOAA geht davon aus, dass das Ereignis wahrscheinlich noch diesen Winter auf der Nordhalbkugel eintreten wird. Durchaus denkbar ist aber auch, dass es auf der Nordhalbkugel mit geringerer Intensität bis in den Sommer hinein andauert.

Es kommt auch darauf an, auf welchen Teil des Anbauzyklus es sich auswirkt. Laut einer Studie des japanischen Agrometeorologen Toshichika Iizumi und seiner Kollegen hat eine witterungsbedingte Beeinträchtigung in der Anzuchtperiode des Anbauzyklus tendenziell die größte Auswirkung auf die Ernteerträge. Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich die potenziellen kurzfristigen Auswirkungen von einem El-Niño-Phänomen auf Feldfrüchte in der Anzuchtphase beurteilen. Die wesentlichen Schlussfolgerungen:

Preissteigerungen bei
Zucker, Kakao und Weizen

Zu den Agrarrohstoffen, bei denen ein Auftreten von El Niño für einen Preisanstieg sorgt, zählen Zucker, Kakao und Weizen. Die Zuckerproduktion konzentriert sich vor allem auf Indien und bestimmte Regionen in Brasilien. Wenn El Niño auftritt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Regenfälle in beiden Ländern unterdurchschnittlich ausfallen und es zu längeren Trockenperioden kommt. Dies könnte die Preise nach oben treiben.

Indonesien, das 10 Prozent des weltweiten Kakaoangebots produziert, könnte ebenfalls direkt von El Niño getroffen werden. Eine trockene und warme Witterung in Indonesien könnte zu weiteren Preisanstiegen beim Kakao führen.

Australien, das 4 Prozent des globalen Weizenangebots hervorbringt, ist ein weiteres Land, das bei einem Auftritt von El Niño unter trockenem Wetter leiden könnte. Dies könnte die Weizenpreise in die Höhe treiben, wenngleich ein Großteil der Weizenernte voraussichtlich bis Mitte Jänner eingefahren sein dürfte. Dies sollte den Effekt eines El-Niño-Ereignisses begrenzen.

Sojabohnen, Mais und Arabica-Kaffee billiger

Im Gegensatz dazu dürften die Preise von Sojabohnen, Mais und Arabica-Kaffee sinken. Brasilien und Argentinien, die gemeinsam fast die Hälfte des weltweiten Bedarfs an Sojabohnen abdecken, dürften im Fall des Eintritts eines El-Niño-Ereignisses von günstigen Wachstumsbedingungen profitieren. Entsprechend könnte sich El Niño auf die Preisentwicklung für Sojabohnen auswirken.

Die Auswirkungen von El Niño auf Mais sind weniger signifikant, könnten aber für die Anbaubedingungen in Südamerika und Teilen Australiens leicht positiv sein und somit geringfügigen Abwärtsdruck auf die Preise ausüben.

Die Produktion von Arabica-Kaffee ist stark auf Brasilien, Mexiko, Kolumbien und Mittelamerika konzentriert. Auch diese Länder könnten günstige Anbaubedingungen verzeichnen. Und da sich der meiste Kaffee in diesen Regionen in den nächsten Monaten in der Anzuchtphase befinden wird, könnte es bei diesem Rohstoff zu einem Angebotsanstieg mit anschließender Preissenkung kommen.

Noch weitere Faktoren

Bei dieser Analyse ist freilich zu bedenken, dass sie auf dem reinen Effekt von El Niño basiert und die zahlreichen weiteren Faktoren, die die Ernte von Feldfrüchten beeinträchtigen können, unberücksichtigt bleiben. Zudem können die Preise von Agrarrohstoffen durch eine Reihe anderer Entwicklungen beeinflusst werden, darunter Wechselkursbewegungen und Handelspolitik. Allerdings dient die Analyse als grobe Richtschnur dafür, wie El Niño möglicherweise bald die Rohstoffpreise beeinflussen kann.

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