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"Elektronische Fußfessel" in Österreich?

Von Johann Werfring

Politik

Manche Innovation hat ihren Weg von den USA nach Deutschland genommen und ist dann in Österreich eingeführt worden. Die "Wiener Zeitung" ging der Frage nach, ob dies auch bei der "Elektronischen Fußfessel" zutreffen könnte.


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In den österreichischen Medien ist das Thema "Elektronische Fußfessel" bislang noch nicht diskutiert worden. Indes stellen Fachleute im Justizministerium - mit Blickrichtung Hessen - bereits Überlegungen an, ob der technologisch überwachte Hausarrest auch im österreichischen Recht verankert werden soll.

Der zuständige Sektionschef im Bundesministerium für Justiz, Michael Neider, teilte der "Wiener Zeitung" mit, seine Meinungsbildung in dieser Angelegenheit sei zwar noch nicht endgültig abgeschlossen, jedoch unterhalte er hinsichtlich der Entwicklung im laufenden Modellversuch einen ständigen Kontakt mit seinen hessischen Amtskollegen.

In Österreich, so Neider, herrsche im Vergleich zu anderen Ländern, in denen derzeit schon die "Elektronische Fußfessel" im Einsatz ist, eine spezifische Situation. Während beispielsweise in Schweden diese Form der Strafe insbesondere bei alkoholisierten Verkehrssündern und in Deutschland als Alternative zu Kurzzeithaftstrafen eingesetzt würde, käme hierzulande ein Hausarrest als Ersatz gerade für solche Fälle nicht in Betracht, weil in Österreich seit der Novellierung des Strafgesetzbuches im Jahr 1975 kurzfristige Freiheitsstrafen unter 6 Monaten von den Gerichten ohnedies nur sehr sporadisch ausgesprochen und die entsprechenden Delikte in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit Geldstrafen und teilbedingten Strafen geahndet würden.

Bei teilbedingten Strafen?

Allerdings könne er sich bei teilbedingten Strafen in ganz bestimmten Konstellationen die "Elektronische Fußfessel" durchaus als Alternative zur Haft vorstellen.

Wenn beispielsweise das Gericht eine Verurteilung im Ausmaß von 8 Monaten bedingt plus 4 Monaten unbedingt ausspricht, sei die Fußfessel durchaus eine Denkvariante, so Neider. Die Anwendung der neuen Technologie sei aber nicht nur als Alternative zum stationären Strafvollzug überlegenswert. Zu prüfen sei weiters, ob diese technologische Kontrollmöglichkeit auch in jenen Fällen, wo Personen sich im Rahmen des Strafvollzugs auf "Freigang" befinden, zweckmäßig ist.

Derzeit sei die Entwicklung in Österreich noch keinesfalls abzusehen, weil die Kosten für das elektronische System beträchtlich sind und erst abzuwarten bliebe, ob und wie sich dieses Instrument bis zum Ende des Modellversuchs in Hessen bewährt. Eine konkrete Projektierung wäre sohin bei entsprechendem politischen Willen frühestens in einem Jahr spruchreif, so Neider.

Die Anwendung der Fußfessel als "Kontrolle bei Vollzugslockerungen im Strafvollzug" ist auch für Roland Miklau, ebenfalls Sektionschef im Justizministerium, ein mögliches Thema. In diesem Zusammenhang sei es überaus sinnvoll, über neue Sanktionsformen nachzudenken, beispielsweise über Freizeit- und Wochenendarrest, weil solcherart eine Erhaltung des Arbeitsplatzes von Delinquenten sicherzustellen sei.

Weiters, so Miklau, kämen als Träger von "Elektronischen Fußfesseln" unter Umständen jene Personen in Betracht, die derzeit mangels Liquidität Ersatzfreiheitsstrafen absitzen müssen. Dieser Gruppe gehören u. a. zahlungsunfähige Alimentationsverpflichtete an, welche er bei seinen Erwägungen durchaus in Betracht ziehe. Diskussionswürdig sei weiters die Umwandlung des letzten Strafdrittels in elektronisch überwachten Hausarrest, erklärte der Strafrechtsexperte.

Soziale Integrität

Grundbedingung sei jedenfalls eine gewisse soziale Integrität der Probanden, weil diese über eine eigene Wohnung und einen Telefonanschluss verfügen müssen.

Den täglichen Kostenaufwand für die Überwachung eines Verurteilten mithilfe der "Elektronischen Fußfessel" bezifferte er mit ca. 700 Schilling.

Man sei sich im Justizministerium auf alle Fälle auch der möglichen negativen Effekte des Systems bewusst, betonte Miklau. Wie bei anderen Sanktionsinstrumenten bestünde nämlich auch in diesem Fall die Gefahr des so genannten "net widening". Damit ist gemeint, dass sich der Kreis der Betroffenen auf Personen erweitert, die bislang straffrei ausgegangen sind oder mit einer bedingten Strafe davon gekommen sind. Und sohin könne in der Praxis das Gegenteil der legislativen Absicht bezweckt werden, nämlich eine Verschärfung und erhöhte Kontrolle.

Während sein Kollege Neider im Zusammenhang mit dem elektronischen System der Frage nachgeht, ob solcherart der Strafvollzug effizienter zu machen sei, stehe in seinem Ressort vor allem die Überlegung im Vordergrund, ob dies eine gute Alternative zum Freiheitsentzug ist. Die Angelegenheit müsse jedenfalls in nächster Zeit ausführlich in Fachkreisen diskutiert werden; ebenso sei noch zu erheben, in welchem Maße eine solche Alternative bei der österreichischen Bevölkerung akzeptiert würde.

Bewährungshelfer: Interesse

Mit Interesse verfolgt auch der Verein für Bewährungshilfe und soziale Arbeit (VBSA) die derzeitige Entwicklung in Hessen, erklärte dessen offizieller Sprecher, Andreas Zembaty, der "Wiener Zeitung", weil die Organisation bei einer allfälligen Übernahme des Systems in Österreich mit eingebunden werden könnte. Seiner Einschätzung nach sei die Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests nicht unwahrscheinlich, weil vor allem ökonomische Gründe dafür sprächen.

Keine Konkurrenz

Eine Konkurrenz zur Betreuung durch die Bewährungshilfe könne die "Elektronische Fußfessel" hingegen schon allein aus Kostengründen nicht werden. Während die tägliche Betreuung eines Probanden durch den VBSA lediglich 110 Schilling koste, habe der Staat derzeit pro Häftling Tag für Tag 1.000 Schilling aufzuwenden, wobei 29,80 Schilling für die Verpflegung und 970,20 Schilling für die Bewachung berappt werden müssten. Sohin sei die für die Fußfessel veranschlagte Summe von 700 Schilling zwar um einiges niedriger als der Aufwand für den Strafvollzug in Gefängnissen, allerdings noch immer bei weitem höher als die Abgeltung für die betreuerische Arbeit des VBSA.

Den niedrigen Kosten der Bewährungshilfe, so Zembaty, stünden im übrigen beachtliche Betreuungserfolge gegenüber. Während derzeit die Rückfallsquote im konventionellen Strafvollzug bei 80% liege, mache diese bei den von der Bewährungshilfe betreuten Probanden lediglich 17% aus; die Rückfallsquote der im Wege des Außergerichtlichen Tatausgleichs betreuten Probanden betrage hingegen nur 10%.

Für Kooperation

Eine gedeihliche Kooperation zwischen VBSA und Justiz könne es nach Meinung Zembatys vor allem dann geben, wenn die Einführung der "Elektronischen Fußfessel" in erster Linie mit dem Gedanken der Resozialisierung und erst in zweiter Linie mit jenem der Kontrolle einhergehe.