Regierungsspitze und Landeschefs ringen um gemeinsame Lösungen zum Wirtschaftsstandort und zum Föderalismus.
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Graz/Wien. Wenn am Dienstag in Graz neun Landeshauptleute auf die Doppelspitze der Bundesregierung treffen, dann versammelt sich die geballte Exekutivgewalt des Landes in einem Raum. Das passiert, trotz des erweiterten Dorfcharakters Österreichs, auch nicht alle Tage. Ebenso wenig, dass die Republik seit Juni ohne gewähltes Staatsoberhaupt auskommen muss.
Eigentlich eine gute Gelegenheit, die großen Steine der Republik den Berg ein Stück weiter hinaufzurollen. Doch auch elf starke Männer - eine Frau sucht man in dieser Runde vergeblich - machen noch kein starkes Team, wenn sie nicht gemeinsam in die gleiche Richtung schieben. Allerdings: Es ist wesentlich leichter, sich auf Überschriften zu einigen als auf die konkreten Details mächtig umstrittener (und auch sehr komplizierter) Themen wie einer umfassenden Staatsreform.
Ringen um Kompromisse
Vor diesem Hintergrund einer verunsicherten Politik und ebensolchen Wählern will der steirische Landeshauptmann und aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz Hermann Schützzenhöfer (ÖVP) einen Neustart in den Beziehungen zwischen Bund und Ländern versuchen. Tatsächlich hat bisher nur eine Partei profitiert, wenn sich SPÖ und ÖVP wechselseitig blockierten: die FPÖ. Klar ist allerdings auch, dass ein Neustart leichter gesagt als umgesetzt ist, was gleichermaßen für die Bundesregierung und das Verhältnis zwischen Bund und Ländern gilt.
Ein in der Regierung zwischen SPÖ und ÖVP heiß umkämpftes Thema, das Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada Ceta, dürfte mittlerweile entschärft sein. Jedenfalls sprach Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Montag von einer gemeinsamen Linie in der Koalition. Auch die Landeshauptleute hatten sich skeptisch zu dem Abkommen geäußert. Die Vorbehalte scheinen ausgeräumt.
Ganz im Westen erhofft man sich von einem allfälligen Neustart auch ein grundsätzliches Bekenntnis des Bundes zum Föderalismus. Vorarlbergs Landeshauptmann bemängelt die "lähmende Zentralbürokratie", die zu größerer Bürgerferne und höheren Kosten führe. In weiten Teilen des Ostens sieht man die Verantwortung für etliche Ineffizienzen dagegen bei den Ländern.
Konkrete Ergebnisse wollen die elf Männer heute in Graz präsentieren; keine großen Durchbrüche, aber einige kleinere Schritte hin zu weniger Bürokratie und einem schlankeren Wirtschaftsstandort. Im Mittelpunkt der Debatten werden die Reform des Gewerberechts, Schaffung eines Inklusionsfonds für Behinderte, Schutz kritischer Infrastruktur, eine integrierte Klima- und Energiestrategie, eine Reduktion der Zustimmungsrechte zwischen Bund und Ländern bei Änderungen am Status quo - und natürlich die Dauerthemen Integration und Bildung stehen.
Mitterlehners drei Punkte
Mitterlehner hat schon am Montag seine Ideen für einen attraktiveren Standort vorgestellt. Die gute Nachricht ist, dass es heuer mit dem Wirtschaftsstandort nicht bergab geht in den internationalen Rankings. Es geht sogar leicht bergauf. Im "Global Competiveness Award" des World Economic Forum belegt das Land heuer den 19. nach Platz 23 im Vorjahr. Und im "European Innovation Score Board" hat Österreich heuer auch einen Rang wettgemacht und belegt Platz 10. Die schlechte Nachricht ist, dass das Land noch nicht an die Spitzenwerte aus der Zeit vor der Finanzkrise 2008 herankommt.
Mitterlehner will drei Punkte für eine Standortverbesserung in Angriff nehmen, die derzeit in den Arbeitsgruppen der Koalition verhandelt werden und auch beim Treffen mit den Landesspitzen Thema sein werden. Er fordert etwa eine Arbeitszeitflexibilisierung, die es in einem Gleitzeitmodell erlauben soll, bis zu zwölf statt zehn Stunden pro Tag zu arbeiten.
Geht es nach Mitterlehner, soll auch der Arbeitnehmerschutz gelockert werden. Mitterlehner verwies auf das 132 Paragrafen und 15 Verordnungen umfassende Arbeitnehmerschutzrecht. Außerdem sollen Investitionen angekurbelt und die Gewerbeordnung entrümpelt werden. Diese Vorschläge müssen noch mit dem Koalitionspartner verhandelt werden; zwei davon, nämlich die Arbeitszeitflexibilisierung und der Arbeitnehmerschutz, mit Sozialminister Alois Stöger. Im Soziaministerium will man den Vorstoß Mitterlehners allerdings nicht kommentieren und verweist auf die laufenden Verhandlungen in der Arbeitsgruppe.
Und die dürften zäh werden. Denn bisher gab es in puncto 12-Stunden-Arbeitstag seitens der Gewerkschaft immer eine Abfuhr. Die Arbeitnehmervertreter fordern wiederum eine Arbeitszeitverkürzung und eine sechste Urlaubswoche. Bis Ende des Monats will man sich jedenfalls einigen und ein Standortpaket präsentieren.
Kern gegen Arbeitszeitregelungen "auf Kosten der Arbeitnehmer"
Bundeskanzler Christian Kern hat sich indessen gegen Arbeitszeitregelungen "auf Kosten der Arbeitnehmer" ausgesprochen. Er betonte in der "ZiB1" des ORF-Fernsehens, bei Arbeitszeitregelungen gebe es einerseits "Notwendigkeiten", die aus der Wirtschaft kämen, aber auch "Schutzinteressen von den Arbeitnehmern". Aufgabe sei es jetzt,
der Wirtschaft zu ermöglichen, hier gute Bedingungen zu finden, "und das
nicht auf Kosten der Arbeitnehmer".