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Elfenbeinküste vor Bürgerkrieg

Von Klaus Huhold

Politik

Heftige Kämpfe in der Hafenmetropole Abidjan. | Internationale Vermittlungen bisher ohne Erfolg. | Abidjan. Schüsse, Tote, Flüchtlinge. Die Schreckensmeldungen aus der Elfenbeinküste reißen nicht ab. Allein aus der Hafenmetropole Abidjan sollen bereits 300.000 Menschen geflohen sein. Im Machtkampf um die Präsidentschaft zwischen Laurent Gbagbo und Alassane Ouattara regiert die Gewalt, jeden Tag fordern die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern neue Todesopfer. Das Land steht am Rande eines Bürgerkriegs.


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Die politischen Fronten sind seit der Präsidentenwahl im November verhärtet. Ouattara, der als Kandidat der Opposition antrat, hat den Urnengang laut Wahlkommission mit 54 Prozent der Stimmen gewonnen. Er wird auch von der internationalen Gemeinschaft als Sieger anerkannt. Doch der Gbagbo nahestehende Verfassungsrat erklärte den Amtsinhaber zum Gewinner der Wahl. Gbagbo weigert sich seitdem zurückzutreten.

Lager formieren sich

Besonders in Abidjan, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes, spitzt sich der Machtkampf zu. Gbagbo hat Armee und Polizei hinter sich, die den Großteil der Stadt kontrollieren. Die Sicherheitskräfte gehen rücksichtslos gegen Ouattaras Anhänger vor. So wurden bei einer Demonstration von Ouattara-Sympathisantinnen sieben Frauen erschossen. Zudem hat Gbagbo die "Jungen Patrioten" losgeschickt, seine für ihre Gewaltexzesse berüchtigten militanten Anhänger, die nun vielerorts Straßensperren errichten.

Doch auch das Lager von Ouattara formiert sich. Seine Anhänger haben Selbstverteidigungskomitees gebildet, die sich immer wieder heftige Kämpfe mit den Sicherheitskräften liefern.

Die Komitees, die auch mit Gbagbo-Anhängern nicht zimperlich umgehen sollen, werden angeblich von den "Neuen Streitkräften" unterstützt. Das sind ehemalige Rebellen, die sich bereits 2002 gegen Gbagbo, der damals schon Präsident war, erhoben haben. Sie kontrollieren seitdem den Norden des Landes, während die Armee im Süden das Sagen hat (siehe Grafik).

Dass beide Kontrahenten im Kampf um die Präsidentschaft bewaffnete Verbände hinter sich haben, lässt die Bürgerkriegsgefahr kräftig steigen. Sowohl die "Neuen Streitkräfte" als auch die Armee sollen bereits aufrüsten und liefern sich im Westen des Landes schon die ersten Gefechte.

Bisher sind alle internationalen Vermittlungsversuche gescheitert. Nun nimmt die Afrikanische Union einen neuen Anlauf. Bei Gesprächen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abbeba sind ein Vertreter Gbagbos und Ouattara selbst anwesend. Dieser hat dafür erstmals das von UN-Truppen bewachte Hotel in Abidjan verlassen, in dem er sich mit seinem Stab seit der Wahl verschanzt hat. Gbagbos Lager hat am Donnerstag die ersten Lösungsvorschläge der AU bereits abgelehnt. Die Erfolgschancen bei den Verhandlungen sind also auch diesmal gering. Manche AU-Staaten haben in den vergangenen Wochen zwar Gbagbo ein militärisches Eingreifen angedroht, wenn er nicht zurücktritt. Doch diese Drohungen sind wirkungslos verpufft.

Finanzieller Druck

Nun sollen finanzielle Druckmittel Gbagbo in die Knie zwingen. Die westafrikanische Zentralbank, die für acht Länder in der Region zuständig ist, hat Gbagbo den Zugriff auf die Konten der Elfenbeinküste entzogen. Und die EU verhängte Handelssanktionen, von denen etwa auch Kakao, das wichtigste Exportgut des Landes, betroffen ist. Gbagbo soll ausgetrocknet werden, damit er seine Soldaten, die er für den Machtkampf braucht, nicht mehr bezahlen kann.

Die Antwort Gbagbos: Der frühere Sozialist, der sich zum nationalistischen Scharfmacher gewandelt hat, wütet in seinen Ansprachen gegen die internationale Gemeinschaft. Der selbsternannte Präsident hat die im Land stationierten UN-Truppen mit einem Flugverbot belegt. Zudem hat er den Kakaoexport verstaatlicht. In den Augen der internationalen Gemeinschaft sind dies aber wohl keine rechtmäßigen Schritte, sieht sie doch die gesamte Regierung Gbagbos als illegitim an.