In Deutschland hat er einst eine traurige Wahrheit ausgesprochen: "Auschwitz wird ein Teil Ihrer Geschichte bleiben", sagte Elie Wiesel, der heute 75 Jahre alt wird, vor dem Bundestag. Lösche man die Erinnerung an die Opfer aus, dann werde jedes Opfer noch einmal getötet.
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Die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten, gegen das Wiedererstarken von Wahn-Ideologien zu kämpfen, die Völkermord gutheißen, ist Wiesels Lebensaufgabe. Im Konzentrationslager Buchenwald, wo seine Eltern und seine jüngste Schwester ermordet wurden, leistete er einen stillen Schwur für den Fall, dass er das Grauen überleben sollte. "Ich habe geschworen, niemals zu schweigen, wann immer und wo immer ein Mensch zu leiden hat oder gedemütigt wird", sagte er 1986 bei der Entgegennahme des Nobelpreises.
Vehement setzte sich der Schriftsteller und Hochschullehrer, der in Siebenbürgen in eine strenggläubige jüdische Familie geboren wurde und der seit 1963 US-Bürger ist, für die Notleidenden der Welt ein. Für die Unterdrückten in der damaligen Sowjetunion ebenso wie für die schwarze Mehrheit während der Apartheid in Südafrika und für viele andere, die wegen ihrer Rasse oder Überzeugung zu leiden hatten.
Aber das Schicksal der Juden, der Holocaust, ist sein wichtigstes Thema geblieben: Wiesel hat den Begriff unter Berufung auf das Alte Testament geprägt. Nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager im April 1945 kam er nach Frankreich, lernte Sartre und Camus kennen, versuchte, in der skeptischen Philosophie des Existentialismus Antworten auf seine quälenden Fragen zu finden.
In Paris verdiente Wiesel seinen Lebensunterhalt zunächst als Hebräisch-Lehrer und Übersetzer. Später arbeitete er als Auslandskorrespondent, darunter bei den Vereinten Nationen in New York. Nach seiner Begegnung und Freundschaft mit Francois Mauriac, dem katholisch geprägten Literatur-Nobelpreisträger von 1952, verarbeitete er 1958 traumatische Erlebnisse im Konzentrationslager in dem Roman "Nacht". Er gilt bis heute als das wichtigste seiner mehr als 40 Werke.
Das Nobelpreiskomitee ehrte Wiesel als "den Juden, der sein Leben dem Kampf dafür geweiht hat, dass es nicht noch einmal geschehen kann". In diesem Sinne hat er auch immer wieder lautstark zur Tagespolitik und so manchen kulturellen Debatten in seiner Wahlheimat, aber auch in vielen anderen Ländern zu Wort gemeldet. Meist kompromiss-, und oft fassungslos.
Vergeblich appellierte er 1985 an US-Präsident Ronald Reagan, die Einladung Helmut Kohls zu einem gemeinsamen Besuch auf dem Soldatenfriedhof Bitburg abzulehnen, auf dem es auch viele Gräber von SS-Angehörigen gibt.
Für Stirnrunzeln bei linken Intellektuellen sorgte der Friedensnobelpreisträger, als er Anfang des Jahres die amerikanischen Pläne für den Irak-Krieg ausdrücklich befürwortete. Nach dem Irak-Krieg ging Wiesel jedoch auf Abstand. Es wäre "sehr peinlich", wenn die USA keine Massenvernichtungswaffen im Irak fänden. "Meine Rechtfertigung war nicht der Regime-Wechsel. Ich hoffe, sie (die Waffen) werden gefunden."