Frischgebackene Nobelpreisträger stellen sich gegen "Tyrannei" von Spitzen-Fachblättern.
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Wien. "Tyche" ist nun auch im Internet. Wer den Namen der griechischen Schicksalsgöttin in die Suchmaske eingibt, findet das gleichnamige, vom Institut für Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Universität Wien veröffentlichte Journal. Wer die 600 Fachartikel in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache lesen will, muss nun keine Jahresgebühr von 90 Euro mehr zahlen, sondern liest gratis. Die 1985 gegründete Fachzeitschrift für die Antike wurde nämlich in ein Open-Access-Journal verwandelt.
Mit einer Anschubfinanzierung des Wissenschaftsfonds (FWF) werden in Abstimmung mit dem Wissenschaftsministerium acht heimische Fachjournale ihre Inhalte nach dem Open-Access-Modell frei für die Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Dafür stehen insgesamt 420.000 Euro zur Verfügung. Die geförderten Initiativen wurden am Mittwoch an der Universität Wien präsentiert. "Für uns stand die Sichtbarkeit der oft kleinteiliger organisierten Geistes- und Sozialwissenschaften im Vordergrund", sagte FWF-Geschäftsführerin Dorothea Sturn. Neue Konzepte wissenschaftlicher Publikationen sollen dafür genutzt werden, durch die leichtere Auffindbarkeit und ständige Verfügbarkeit biete sich Open Access geradezu dafür an.
Derzeit dominiert im Wissenschaftsbetrieb die Veröffentlichung von Ergebnissen in kostenpflichtigen Fachjournalen. Zunehmend gewinnen jedoch Open-Access-Journale an Bedeutung. Der Hintergedanke ist, dass Wissenschaft Allgemeingut sein sollte.
Top-Journale stehen jedoch nicht nur deswegen in der Kritik, weil sie von ihren Lesern Geld verlangen. Sondern immer mehr Forscher monieren, die Spitzen-Blätter würden die Forschungsergebnisse verzerren. Frischgebackene Nobelpreisträger, die am Dienstagabend ihre Preise vom schwedischen König Carl XVI. Gustav empfingen, rufen sogar zum Boykott der Spitzen-Journale auf.
Der US-Biologe Randy Schekman, Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin 2013, hat in einem Beitrag für den "Guardian" erklärt, sein Labor werde keine Arbeiten mehr bei "Science", "Nature" oder "Cell" einreichen: "Ebenso wie die Wall Street mit der Bonus-Kultur brechen muss, muss die Tyrannei der Top-Journale gebrochen werden." Der Druck, in "Luxusjournalen" zu publizieren, würde dazu verleiten, modischen statt wichtigen Forschungsrichtungen nachzugehen. Chefredakteure seien "keine Wissenschafter, sondern Fachleute, die Furore machenden Studien den Vorzug geben und dabei so restriktiv vorgehen wie Modedesigner bei Limited-Edition-Handtaschen". Der Biologe kritisiert auch das System des "Impact Factor", wonach die Qualität eines Journals daran bemessen wird, wie oft seine Veröffentlichungen zitiert werden: "Eine Arbeit kann zitiert werden, weil sie gut ist, oder aber weil sie provokativ, auffallend oder falsch ist."
"eLife" als Konkurrenz
"Jeder Wissenschafter würde wohl meinen, dass ,Nature‘ und ,Science‘ viele exzellente Arbeiten veröffentlichen. Doch nur ein Nobelpreisträger kann sich solche Offenheit leisten, speziell wenn er wie Schekman das Open-Access-Journal ,eLife‘ herausgibt als Konkurrenz zu den Großen", schreibt dazu der britische "Economist".
Schekman steht jedoch nicht alleine da. Für Physik-Nobelpreisträger Peter Higgs, der das nach ihm benannte und im Vorjahr bewiesene Elementarteilchen 1964 postuliert hat, ist das Publikationswesen symptomatisch für den Wissenschaftsbetrieb. In der Forschungslandschaft dominieren heute vermeintlich objektive Leistungskriterien wie Projektbewilligungen, Drittmittel und die Anzahl der Veröffentlichungen. Er selbst würde heute "keinen akademischen Job mehr bekommen."
Für den Erfolg einer Fachzeitschrift ist neben Qualität und Reputation auch eine finanzielle Basis nötig. Wie es den acht heimischen Open-Access-Journalen nach der Anschubfinanzierung ergeht, bleibt abzuwarten. "Tyche" verliert jedenfalls insgesamt 22.500 Euro von 250 Abonnenten.