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Elitenförderung alleine reicht nicht

Von Hans Pechar

Politik

Wenig Erfolg wird Schulsystemen beschert werden, die sich einseitig auf Elitenförderung konzentrieren und Leistungsschwächere vernachlässigt, meint Bildungsforscher Pechar. Besser wäre eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen.


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Seit einigen Wochen beherrscht PISA die Schlagzeilen, aber unumstritten ist diese Untersuchung nicht. Etwa die Hälfte der Bevölkerung hält sie für eine beliebige Statistik, an die man nur glaubt, wenn man sie selbst gefälscht hat. Auch von Politik und Experten gibt es partielle Distanzierung. Niemand wird überrascht sein, dass die konservative Bildungspolitik keine Freude hat. Aber warum fühlen sich manche Vertreter einer "progressiven Pädagogik" zu Vergleichen mit dem schiefen Turm gedrängt?

Erstens: PISA wird von der OECD durchgeführt, dem Gottseibeiuns vieler Globalisierungsgegner.

Zweitens: es handelt sich um einen standardisierten Test, und der Einsatz solcher Instrumente hat nach Auffassung mancher Bildungsforscher negative Auswirkungen auf das Schulklima und die Qualität des Unterrichts. Die Lehrer würden sich nämlich langfristig an diese Tests anpassen und nur noch das unterrichten, was bei diesen abgefragt wird. Die Folge sei ein steriler, jeder kreativen Dimension beraubter Unterricht.

Ist dieser Einwand stichhaltig? Man sollte im Auge behalten, dass für PISA alle drei Jahre ca. 5000 Schüler getestet werden. Angesichts dieser Größenordnung ist es unwahrscheinlich, dass sich das Unterrichtsgeschehen massenhaft an den Erfolgskriterien von PISA orientiert. Sollte dies aber doch geschehen, wäre es das Beste, was der österreichischen Schule widerfahren könnte. PISA überprüft nämlich keine öde Faktenhuberei, sondern Problemlösungskompetenz, die Fähigkeit, abstrakte Konzepte auf lebensnahe Situationen zu übertragen und anzuwenden. Gibt es vernünftige Einwände dagegen, dies zum leitenden Prinzip des Schulunterrichts zu machen?

PISA ist eine der anspruchsvollsten Datensammlungen der vergleichenden Bildungsforschung. Gewiss, man kann die Mittelwerte der Ergebnisse als Rangreihen darstellen, und darauf konzentriert sich das Medieninteresse. Aber PISA ermöglich darüber hinaus empirisch fundierte Aussagen über die subtileren Zusammenhänge des Unterrichtsgeschehens. Z.B. über den Grad der Abhängigkeit des Schulerfolgs von sozialer Herkunft. Diesbezüglich gibt es erhebliche nationale Unterschiede, und Österreich schneidet sehr schlecht ab. Die frühe Verzweigung in Hauptschule und Gymnasium ist ein idealer Nährboden für die Vererbung von kulturellem Kapital.

Das Untersuchungsdesign von PISA hat eine eindeutig egalitäre Ausrichtung - das sollte eigentlich die Berührungsängste linker Bildungspolitiker reduzieren. Kein Land kann positiv abschneiden, das sein Schulsystem einseitig auf Elitenförderung ausrichtet und die leistungsschwächeren Schüler vernachlässigt. Deshalb ist ein gemeinsamer Unterricht aller 10-14jährigen eine notwendige, wenngleich nicht hinreichende Voraussetzung, um langfristig auch die österreichischen Jugendlichen auf das Kompetenzniveau der PISA Spitzenreiter zu heben.

a.o. Univ. Prof. Dr. Hans Pechar ist Bildungsforscher im IFF