Jagdkommando-Soldaten wollen auch außer Dienst Waffen tragen dürfen. Bei einigen Behörden stoßen sie auf Ablehnung.
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Sei es die Befreiung von Geiseln, der Einsatz in Kriegsgebieten oder der Kampf gegen Terroristen: Bei heiklen Missionen wird das Jagdkommando gerufen. Die Soldaten der Elite- und Antiterroreinheit des Bundesheeres müssen eine drei- bis vierjährige Spezialausbildung absolvieren. Ihre Auslandseinsätze führten sie bereits nach Afghanistan, in den Tschad und nach Mali.
In Österreich kämpfen die Soldaten darum, dass sie auch außer Dienst Waffen tragen dürfen. Nach dem Wiener Terroranschlag am 2. November beantragten dutzende Soldaten des Jagdkommandos einen Waffenpass. Dieser berechtigt dazu, Waffen der Kategorie B - Faustfeuerwaffen und halbautomatische Schusswaffen - mit sich zu führen. Rund 50 Verfahren dazu sind derzeit bei den Verwaltungsbehörden anhängig.
In fünf Fällen wurden seither Waffenpässe an Soldaten ausgestellt. Die Landespolizeidirektionen Niederösterreich und Steiermark sowie die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land wiesen die Anträge hingegen ab. In rund zehn Fällen gibt es zudem Stellungnahmen von Behörden, die ankündigen, dass der Antrag wohl negativ beschieden wird. Die "Wiener Zeitung" konnte Einsicht in die Dokumente nehmen.
Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck erklärt, dass sich der Soldat zwar in Situationen wiederfinden könne, in denen "das Führen einer Waffe zweckmäßig sein kann". "Geradezu erforderlich" sei eine Schusswaffe dabei aber nicht: Dem "im Nahkampf ausgebildeten Soldaten des Jagdkommandos" sollte es "bei solchen Szenarien auch ohne Waffe gelingen, die geschilderte Situation zu bereinigen". Bei einem Insider, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will, stößt das auf Unverständnis: "Man kann noch so gut im Nahkampf ausgebildet sein: Trägt der Angreifer auch nur ein Messer, kann man sich nicht verteidigen, ohne zumindest verletzt zu werden."
Gefahr erforderlich
Eine Möglichkeit, einen Waffenpass zu erhalten, ist der Nachweis eines "Bedarfs". Dieser liegt nach dem Waffengesetz vor, wenn "der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann". Diese Gefahren sehen die Antiterror-Spezialisten in ihren Waffenpass-Anträgen als gegeben an. Ein hochrangiger Militär wird darin mit den Worten zitiert: "Jagdkommando-Soldaten werden (. . .) gegen hochgefährliche Gegner eingesetzt, die unter anderem zur Abschreckung auch Racheaktionen gegen die eingesetzten Soldaten und deren Angehörige durchführen."
Zwar werde versucht, die persönlichen Daten der Soldaten geheim zu halten. Insbesondere bei Auslandseinsätzen müssten aufgrund technischer Zwänge Daten aber auch unverschlüsselt übermittelt werden. Die Soldaten befürchten, dass die Daten ausgespäht und an Terroristen weitergegeben werden könnten. Extremistische Gruppen würden auch in Österreich ihre Netzwerke haben, so der Insider: "Wenn die herausfinden, wer zum Jagdkommando gehört, sind Racheaktionen möglich."
Auch gehen die Soldaten davon aus, dass sie in Österreich ausspioniert werden könnten. Dass eine Terrorgefahr bestehe, habe erst kürzlich der Anschlag in Wien vom 2. November gezeigt. Bei diesem wurden Teile des Jagdkommandos auch zur Unterstützung der Terrorbekämpfung aktiviert. Die Soldaten erachten es aufgrund dieser Gefahren daher für notwendig, sich im Notfall auch außerhalb des Dienstes mit einer Schusswaffe gegen einen Attentäter verteidigen zu können.
Ein Bedarf ist nach dem Waffengesetz jedenfalls anzunehmen, wenn es sich um einen Militärpolizisten, Justizwachebeamten oder Polizisten handelt. Ihnen steht also von Gesetzes wegen ein Waffenpass zu. Das hatte der Gesetzgeber 2016 und 2018 klargestellt, nachdem die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Waffenpässen restriktiver geworden und auch Polizisten vorübergehend kein Waffenpass mehr ausgestellt worden war. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dieser Bedarf bei "normalen" Polizisten und Militärpolizisten anzunehmen sei, nicht aber bei den speziell ausgebildeten Jagdkommando-Soldaten, wird in den Anträgen kritisiert.
"Diffuse Befürchtung"
Einigen Behörden ist das zu wenig. Laut LPD Niederösterreich sind die Soldaten "keineswegs besonderen Gefahren" im Sinne des Waffengesetzes ausgesetzt, "da diese nur gegeben sind", wenn sie "das Ausmaß der für jedermann bestimmten Gefahren erheblich" übersteigen. "Eine bloß diffuse Befürchtung einer möglichen Bedrohung" reiche nicht aus. Ebenso die BH Villach-Land: "Die Gefahr bewaffneter Überfälle besteht allgemein für jedermann." Eine abstrakt erhöhte Terrorgefahr reiche für die Ausstellung eines Waffenpasses nicht aus.
Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck verlangt, dass die Soldaten konkret und durch Tatsachen belegen, inwiefern sie besonders gefährdet sind. Auch die LPD Wien und andere Behörden forderten weitere Unterlagen und Informationen zu konkreten persönlichen Bedrohungen an. Selbst wenn kein Bedarf vorliegt, kann man einen Waffenpass erhalten. Laut Waffengesetz liegt "die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen (. . .) im Ermessen der Behörde". Dabei muss das Interesse desjenigen, der eine Waffe mit sich führen will, mit dem öffentlichen Interesse abgewogen werden.
Die Soldaten geben an, dass sie im Schießen ausgezeichnet ausgebildet und Dritte nicht gefährdet seien, ihr Eingreifen könne Schlimmeres verhindern: "Jeder vernünftige Mensch wünscht sich und würde es begrüßen, wenn ein bewaffneter Antiterror-Spezialist des Jagdkommandos anwesend wäre, wenn ein Überfall oder Terroranschlag stattfindet." Sie verweisen auf eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Wien, wonach "das Einschreiten eines - meist zufällig anwesenden - außer Dienst befindlichen Exekutivbeamten, nicht zuletzt in Zeiten steigender Terroranschläge (. . .) aus sicherheitspolitischen Aspekten gewünscht sein muss".
Im Mai 2020 entschied das Landesverwaltungsgericht Wien auch, dass einem Jagdkommando-Soldaten, gegen den keine konkrete Bedrohung vorlag, im Zuge des Ermessens ein Waffenpass auszustellen war. Es gebe nämlich kein ersichtliches öffentliches Interesse, das gegen das Führen einer Schusswaffe durch den Soldaten spreche, so die Begründung.
Gericht gegen Behörde
Manche Bezirksbehörden widersprechen den Gerichten. Die BH Villach-Land meint: "Diese Entscheidungen sind keine Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes. Diese Entscheidungen gelten daher nicht für ganz Österreich." Laut Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ist "gerade damit zu rechnen", dass die Bekämpfung einer Gefahr durch Waffengewalt trotz ausgezeichneter Ausbildung "zu einer Gefährdung Unbeteiligter führt". Davon geht auch die LPD Niederösterreich aus: Sie entschied, dass eine Ermessensabwägung zuungunsten des Soldaten ausfalle.
Die Causa könnte die Behörden und Gerichte noch länger beschäftigen: Ablehnende Bescheide können bei den Landesverwaltungsgerichten bekämpft werden, in weiterer Folge könnten der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof zum Zug kommen.