Die Lachyoga-Trainerin Ellen Müller spricht über die Heil- und Produktivkräfte der Heiterkeit - und darüber, in welchen Situationen Lachen nicht angebracht ist.
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"Wiener Zeitung": Frau Müller, lachen die Österreicher zu wenig? Ellen Müller: In einer Studie habe ich einmal gelesen, dass in Deutschland im Schnitt sechs Minuten pro Tag gelacht wird und in Österreich gar nur drei Minuten! Inwiefern dies belegbar ist, ist mir nicht wirklich bekannt. Allerdings denke ich, dass allgemein gar nicht genug gelacht werden kann. Das Lachen ist eine Möglichkeit, das Leben in all seinen Facetten zu bewältigen, Distanz zu Problemen zu gewinnen und Nähe zu Menschen aufzubauen. Lachen - und auch Lachyoga - ist aus meiner Sicht keine Frage von Unterhaltung, sondern eine Frage der Haltung mir selbst und anderen gegenüber.
Wie sind Sie zum Lachyoga gekommen?
Ursprünglich war ich aus persönlichen Gründen auf der Suche nach Möglichkeiten, mit chronischen Schmerzen umzugehen, und bin dabei immer wieder auf das Lachen gestoßen. Dabei werden schmerzstillende sowie entzündungshemmende Substanzen angeregt, und die Muskulatur lockert sich. Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf den indischen Arzt und Lachforscher Madan Kataria gestoßen. Nachdem ich selbst eine Person bin, die weder besonders gut Witze erzählen, noch sonderlich über die meisten lachen kann, und ich in dieser Lebensphase das Gefühl hatte, keinen Grund zum Lachen zu haben, machte mich Katarias Methode "Lachyoga oder Lachen ohne Grund" sehr neugierig.
Was hat sich für Sie durch Lach-yoga verändert?
Aufgrund meiner intensiven Erfahrungen mit unterschiedlichen Zugängen zum Lachen hat sich meine körperliche und geistige Verfassung eindeutig verbessert. Ich denke, diese Verbesserung ist auch auf die positive mentale Einstellung zurückzuführen, die sich ergibt, wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt. Es hat mir dann die Kraft gegeben, vieles in meinem Leben, das mich belastet hat, zu verändern. Heute sind meine chronischen Gelenksschmerzen wie weggeblasen.
Was hat Sie am Lachyoga am meisten überrascht?
Die Tatsache, wie leicht diese Methode anwendbar ist und wie schnell sie Gutes bewirken kann. Es sind simple Bewegungen, Atem-, Dehn-, pantomimische und spielerische Übungen, die zum Lachen anregen. Aus der anfänglichen Starthilfe, nämlich dem Imitieren des Lachens, kommt schließlich das spontane Lachen ganz von selbst.
Wie reagieren Menschen, die zum ersten Mal in einen Lachyoga-Workshop oder in den "Lachclub" kommen?
Die Reaktionen sind durchwegs positiv. Die anfängliche Scheu und Verlegenheit wird schrittweise spielerisch in der Gruppe abgebaut. Es entstehen sehr schnell Nähe und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ängste, Hemmungen und Anspannungen werden mit Lachen rasch aufgelöst. Zu mir kommen Menschen ja freiwillig und sind bereit zu lachen. Das sind Personen, die etwas verändern oder Stress auf lustvolle Weise abbauen wollen, sowie mehr Heiterkeit und Leichtigkeit in ihr Leben bringen möchten.
Auf YouTube gibt es ein Video, in dem ein Mann in einem vollgestopften U-Bahn-Abteil aus vollem Herzen zu lachen beginnt. Nach anfänglichem Erstaunen lacht schließlich der ganze U-Bahnzug mit. Die Leute zerkugeln sich vor Lachen: Können Sie sich vorstellen, dass so etwas funktioniert?
Ja - ich weiß sogar, dass es funktioniert! Um zu beweisen, dass Lachen ansteckend ist, habe ich bereits vor einigen Jahren mit Freunden ein U-Bahn-Gelächter in Wien angezettelt. Ich stieg zur Hauptverkehrszeit in die U-Bahn, setzte mich mit einem Buch hin und fing in der vollen U-Bahn laut zu lachen an. Zu Beginn haben einige Leute einfach peinlich betreten weggesehen. Als ich allerdings weiter vor mich hin lachte, sahen mich immer mehr Menschen an und begannen selbst zu schmunzeln, einige kicherten vor sich hin und andere begannen tatsächlich zu lachen. Das Lachen steigerte sich und schien von einer Person auf die andere über zu springen. Am meisten lachten die Kinder und freuten sich sichtlich über die plötzlich entstandene Heiterkeit in der U-Bahn. Einige fragten, warum ich so lache - und ich erwiderte, dass ich ohne Grund lache. Das erzeugte noch mehr Lachen. Der U-Bahn-Waggon war tatsächlich mit Lachen erfüllt. Es gab nur wenige wirklich "Lach-Resistente", die allerdings die anderen und mich natürlich auch durch ihre finsteren Mienen noch mehr zum Lachen brachten.
Was ist der Unterschied zwischen Clowning und Lachyoga?
Beim Clowning werden die Zuschauer vom Clown zum Lachen gebracht. Die Zuschauer brauchen selbst nicht aktiv zu sein. Beim Lachyoga werden die Teilnehmer eingeladen, unter der Anleitung eines Trainers die Eigeninitiative zu ergreifen und selbst aktiv zu werden, um das Lachen anzuregen. Es sind unterschiedliche Wege mit dem gleichen Ziel. Wie Sie zum Lachen kommen, ist egal, Hauptsache, Sie lachen, mit oder ohne Grund, denn es ist auf alle Fälle gesund!
Gibt es aus Ihrer Sicht Möglichkeiten, mehr Lachen und Humor im medizinischen Bereich zur Anwendung zu bringen?
Das ist sehr wünschenswert und wird bereits mit Clowning praktiziert. Ich denke, es könnte sicherlich anhand weiterer Methoden ausgebaut werden. Derzeit gibt es in einigen Spitälern Pilotprojekte - Stressabbau und Teambuilding anhand von Lachyoga-Workshops, also "Gesundheitsvorsorge und Gesundheitserhaltung mit Spaß" für Mitarbeiter in pflegenden Bereichen.
Insbesondere in helfenden Berufen sind die Burn-out-Raten hoch. Wenn Ärzte und Mitarbeiter in pflegenden Berufen auf ihre Patienten mit mehr Heiterkeit, Freude und Lachen einwirkten, gäbe es möglicherweise mehr Menschlichkeit und kürzere Aufenthaltszeiten der Patienten in Spitälern, weil das Lachen den Heilungsprozess vermutlich beschleunigt.
Es sollte Lach-Kuren auf Krankenschein angeboten werden, und zwar zur Gesunderhaltung und Gesundheitsvorsorge! Diese Form der Stressbewältigung ist sicherlich auch die preiswerteste und umweltfreundlichste. Wenn man bedenkt, dass zahlreiche Erkrankungen mit negativem Stress zusammenhängen und Lachen eine der einfachsten und schönsten Möglichkeiten ist, dem entgegenzuwirken, ist dies ein Appell an die Krankenkassen und Mediziner!
Es gibt Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen Lachen und körperlicher Gesundheit belegen, wie etwa eine erhöhte Endorphin-Ausschüttung oder die Ankurbelung des Immunsystems durch Lachen. Es gibt aber mindestens ebenso viele Studien, die keinen Effekt feststellen können.
Die direkten Wirkungen des Lachens werden sehr kontrovers diskutiert. Aber zumindest ist es eine Methode, die man billig und einfach an sich selbst ausprobieren kann. Lachen sendet positive Signale an das eigene Nervensystem, verstärkt den Blutfluss zum Gehirn und schafft eine bessere Stimmung. Manche Lachforscher setzen intensives Lachen der Meditation gleich, beide bewirken einen Zustand, in dem das aktive Denken ausgeschaltet wird.
Gibt es Themen, über die man nicht lachen darf?
Lachen ist nicht für alle Lebenssituationen anwendbar und geeignet, insbesondere nicht in Extremsituationen. So kann man Trauer nicht einfach weglachen. Es ist wichtig, zuerst die Trauerarbeit zu leisten, beziehungsweise die Trauer zu leben, und dann kann das Lachen wieder fließen. Sowohl Lachen als auch Weinen ist befreiend, reinigend und erlösend. Beim Lachyoga geht es immer um wohlwollendes Lachen, über sich selbst oder eben miteinander, aber niemals darum, jemanden auszulachen. Für Menschen, die einmal ausgelacht wurden, kann Lachen durchaus beängstigend und destruktiv wirken. Daher wird beim Lachyoga auch nicht über Witze gelacht, da die meisten bei genauerer Betrachtung auf Kosten von anderen Menschen gehen.
Birgt zuviel Lachen nicht die Gefahr, dass man von anderen nicht mehr ernst genommen wird?
Im deutschsprachigen Raum ist Lachen offensichtlich noch immer mit Skepsis und Angst besetzt. Die Angst, lachend nicht ernst genommen zu werden, ist tatsächlich groß. Lachen kann auch Hierarchien außer Kraft setzen. Dies könnte natürlich so manche Strukturen verändern! In Unternehmen, in denen Lachen ein Teil der Unternehmenskultur ist, gibt es mehr Produktivität und Kreativität, weniger Krankenstände, Mobbing und Fluktuation. In Schulen, in denen Lachen erlaubt ist, lernen die Kinder leichter.
Frau Müller, gibt es auch bei Ihnen Tage, an denen Sie keine Lust zu lachen haben?
Natürlich kommt das gelegentlich vor. Wie schon erwähnt, ist Lachen nicht in allen Lebenssituationen stimmig. Außerdem möchte ich Lachen keineswegs als Zwangsmaßnahme sehen. Meine langjährige Übung hilft mir allerdings, meinen Fokus schnell wieder auf die positiven Dinge des Lebens zu richten.
Ellen MüllerEllen Müller ist Lachyoga-Trainerin und -Ausbildnerin und systemischer Coach in Wien. Sie absolvierte u.a. Lach-Ausbildungen bei Madan Kataria und bei Annette Goodheart, die seit 35 Jahren "Lachtherapie" in USA lehrt und anwendet. Sie leitet Lehrgänge, Workshops und Seminare zum Thema Lachen. Im Signum Verlag ist ihr Buch "Zum Glück gibt es Lachen" erschienen.Lachyoga wurde in den 1990er Jahren vom indischen Arzt Madan Kataria in Bombay entwickelt. Basierend auf den Erkenntnissen der Lachforschung, war er auf der Suche nach einer einfachen Methode, um seine Patienten gesund zu erhalten. Anfangs traf man sich in einem Park und erzählte sich Witze, um gemeinsam zu lachen, aber irgendwann erschöpfte sich das Witzeerzählen. So entstand eine Kombination aus Tiefenatmung und Dehnübungen aus dem Hatha-Yoga, die mit pantomimischen Übungen, die zum Lachen anregen, verbunden werden. Aus der Sichtweise der Lachforschung hat ein willentliches Lachen vergleichbare physiologische Effekte wie ein spontanes. Das Motto lautet "Fake it, until you make it" ("Tue so als ob"), bis das Lachen von selbst kommt.Die AutorinIngeborg Hirsch, geboren 1966, ist Biologin und arbeitet als freie Autorin und Lektorin in Wien.Link+++ Lachyoga