Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es tut mir leid und ich entschuldige mich. Es gehört zu den unangenehmsten Dingen im Kommentatorenleben wenn man sich geirrt hat und sich bei seinen Lesern entschuldigen muss. Ich gebe zu, dass ich Elon Musk bislang völlig falsch eingeordnet habe. Ich lag daneben, es tut mir leid.
Elon Musk ist ein Genie. F*** Genius würde man in den USA schreiben. Es geht und ging Elon Musk nie um Geld, Macht und Einfluss. Der Autor dieser Zeilen ließ sich durch die Fassade eines durchgeknallten Milliardärs täuschen. Elon Musk ist nämlich ein Disruptor. Er verändert die Welt – zum Positiven. Die Technologie, das Geld, alles Show. Er verändert die Gesellschaft.
Elon Musk ist Marxist, Anti-Kapitalist und Philanthrop. Er twittert über Meinungsfreiheit, zeigt dann, dass ein reicher Mensch daran aber nie interessiert sein kann, verweist auf den freien Markt, zeigt, dass dieser nicht funktioniert.
Einem 20-jährigen Studenten, der auf seinem Account @ElonJet die Flüge von Musks Privatjet trackt und veröffentlicht, zeigt er was es heißt man lernt fürs Leben und dreht ihm einfach seine Seite ab. Damit nicht genug, erleben zahlreiche andere Flugzeugwatcher ebenfalls wie gut das Leben ohne einen Auftritt in den sozialen Netzwerken ist, denn mit den geänderten Twitter-Regeln ist nun einfach kein Live-Tracking mehr möglich. Ein Schelm, wer Böses denkt, denn natürlich geht es Musk um den Umweltschutz. Wer keine Flugzeuge trackt, will selbst auch weniger fliegen.
Musk feuert Humankapital mit E-Mails, ohne Betriebsräte und Rechte, um dann mit einem genialen Schachzug dies (teilweise) wieder rückgängig zu machen. Das ist Kapitalismuskritik in Reinkultur. Als ihn sein Vater als dick bezeichnet, wirft er sich Diabetesmittel ein, teilt dies mit der Welt, nimmt damit nicht nur ab, sondern ein paar Todesfälle und viele neue Typ2-Diabetiker in Kauf, aber es ist der Kampf gegen den kranken Körperkult und den Selbstoptimierungszwang der Welt.
Elon Musk twittert über wertlose virtuelle Münzen, die danach einen Kursrekord hinlegen, er selbst verdient dabei am meisten – aber das Geld wandert 1:1 in die Anti-Kapitalismus-Kriegskasse. Musk weiß, den Kapitalismus kann man nur mit viel Geld von Innen heraus zerstören. Er schickt Raketen, Satelliten und Menschen ins Weltall, produziert Weltraumschrott bis zum Umfallen und weiß genau, dass es sich die NASA nicht gefallen lassen kann, wenn ein größenwahnsinniger Multimilliardär den Sternenhimmel kontrolliert. Elon Musk wollte, dass es wieder staatliche Weltraumprojekte gibt, das war der Plan. Er produziert Autos, denen Features einfach fehlen, weil der Automobilbranche gerade elementare Komponenten ausgegangen sind. Aber würde er die Autoproduktion stoppen? Nein, wozu? Gerade erst eine Riesenfabrik in ein Waldgebiet gestellt um zu zeigen, dass die Diskussion um die Lobau nur den Wirtschaftsstandort schädigt und die Leute kaufen doch auch unfertige Produkte. Was für eine geniale Kritik an der Konsumgesellschaft.
Du was kann uns Großmeister Musk geben, wenn er den Kapitalismus abgeschafft hat? Wenn Geld nicht mehr zählt? Was brauchen die Menschen dann? Zeit, Zeit für sich und kreative Ideen. Und wer hemmt dies? Natürlich die sozialen Netzwerke. Daher die Lösung, man kauft sie auf und vernichtet sie. Das Ende von Twitter ist der Anfang von freier Zeit in einer 30-Stunden-Arbeitswoche. Ein Genie geht um in der Welt.