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Neues Verfahren mit alten Vorwürfen. | Angriffe auf Justizministerin, Gutachter Kleiner und Spekulant Flöttl. | Wien. Es hatte etwas von einem Klassentreffen, als am Mittwoch am Obersten Gerichtshof (OGH) die Berufung gegen das Bawag-Urteil verhandelt wurde. Journalisten, Anwälte, der Gerichtsarzt, die Staatsanwältin, der Gutachter, die Beamten der Sonderkommission - fast alle, die seinerzeit fast täglich im Bawag-Prozess gesessen hatten, waren auch diesmal gekommen. | Porträt Jürgen Stephan Mertens
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Sogar die Justizwachebeamten, die Ex-Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner unter dem Blitzlicht etlicher Kameras in den Saal führten, waren die selben.
Für Elsner, seinen Nachfolger Johann Zwettler und Ex-Generalsekretär Peter Nakowitz geht es in dem auf zwei Tage anberaumten Rechtsmittelverfahren um eine Reduzierung ihrer Strafen. Elsner hatte am 4. Juli 2008 neuneinhalb Jahre Haft wegen Untreue, Betrugs und Bilanzfälschung ausgefasst. Schon zuvor hatte ihn Richterin Claudia Bandion-Ortner, seit Jänner 2009 Justizministerin, wegen Betrugs im Zusammenhang mit einem Geldgeschenk an Ex-Konsum-Boss Hermann Gerharter zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwettler und Nakowitz waren zu fünf beziehungsweise vier Jahren verurteilt worden.
Gegen dieses Urteil schickten die drei Ex-Banker ihre Anwälte ins Feld - Elsner sogar gleich derer drei. Andreas Stranzinger machte den Anfang und kritisierte das Bawag-Verfahren als "einzigartigen Prozess". Die Anklage sei übereilt und daher fehlerhaft verfasst worden, Beweise, die Elsner entlastet hätten, seien ignoriert worden. Auch dass Bandion-Ortner das Urteil verfasst habe, obwohl sie bereits als Justizministerin designiert gewesen sei, sei ein Nichtigkeitsgrund. Als Beleg dafür führte Stranzinger sogar eine kaiserliche Verordnung aus dem Jahr 1915 an.
Bilanzfälschung verjährt
In diesen Punkten widersprach ihm Generalanwalt Erich Weiß, der für die Generalprokuratur erschienen war. Einig waren sich die beiden hingegen bezüglich des Vorwurfs der Bilanzfälschung, die verjährt sei, und des Betrugsvorwurfes, der nicht halte. Im Gegensatz zur Generalprokuratur halten Elsners Anwälte aber auch den Vorwurf der Untreue für falsch. Hier habe die Bank vielleicht fahrlässig agiert, das genüge aber nicht für einen Vorsatz, erklärte Elsners zweiter Rechtsbeistand Peter Lewisch. Anwalt Nummer drei, Jürgen Mertens, betonte schließlich, dass die Tatsache, dass Elsner bis ins hohe Alter unbescholten gewesen sei, zu wenig berücksichtigt wurde und sein Mandant "nichts unversucht ließ, der Wahrheit näher zu kommen" - vor allem was den Verbleib der von Investmentbanker Wolfgang Flöttl veruntreuten Bawag-Millionen angeht. Hier vertrat Weiß allerdings die Meinung des Erstgerichts, dass der Verbleib des Geldes für die Untreue irrelevant ist.
Eskalation am Tag 72
Während sich Elsners Team in erster Linie auf Bandion-Ortner einschoss, nahm Zwettler-Anwalt Mario Schmieder Gutachter Fritz Kleiner ins Visier. Dieser sei von Anfang an den Angeklagten gegenüber voreingenommen gewesen. "Am 72. Verhandlungstag eskalierte die Situation", so Schmieder, da habe Kleiner in Richtung der Angeklagten gemeint, man werde schon sehen, wer zuletzt lacht. So etwas habe er in 46 Jahren als Anwalt noch nicht erlebt, sagte Rudolf Breuer, Anwalt von Nakowitz. "Wenn das nicht Befangenheit ist, was dann?"
Breuer betonte die untergeordnete Rolle von Nakowitz. Als Generalsekretär habe er keine Gestaltungs- oder Mitwirkungsrechte gehabt, es fehle daher der kausale Tatbeitrag.
Generalanwalt Weiß wies die Angriffe auf Bandion-Ortner und Kleiner zurück. Er betonte, dass die Generalprokuratur zwar einige Mängel in dem Urteil entdeckt hatte, "das Herzstück des Urteils", nämlich die Untreue, für alle drei Angeklagten aber aufrecht bleibe. In dieser Frage habe man einen "respektvollen Dissens", meint dazu Elsner-Anwalt Löwisch.
Es folgte das, worauf viele lange gewartet haben: Helmut Elsner nimmt persönlich Stellung. Zunächst entschuldigte er sich dafür, dass er in Jogginghose und Pullover erschienen war - "Ich habe in der Haft 23 Kilo zugenommen, mir passt nichts mehr" - um dann zu einer 90-minütigen Rede ohne wirkliche Neuigkeiten anzusetzen.
"Flöttl hat gestohlen"
Einerseits schoss er sich auf Spekulant Flöttl ein ("Hätte sich Flöttl an die Verträge gehalten, hätte es keine Verluste gegeben"), bezweifelte den tatsächlichen Verlust der Millionen ("Flöttl kann die Verluste gar nicht gemacht haben, er hat gestohlen"), andererseits griff er Bandion-Ortner an ("Ich sah schon am ersten Prozesstag an der Körpersprache der Frau Bandion-Ortner, dass sie mich verurteilen will"). Als sich Elsner zu einem "Ich kann beweisen, dass Frau Bandion-Ortner lügt, sobald sie den Mund aufmacht" hinreißen ließ, empfahl ihm Senatsvorsitzender Rudolf Lässig, sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
"Ich lehne mich gerne hinaus", sagte Elsner und sprach von einem "Megaskandal", einem "Kriminalfall Flöttl, Krakow, Bandion-Ortner", von Vertuschung und Anzeigen gegen die Justizministerin und ihren Kabinettschef Georg Krakow.
Zwettler bedauerte seinen schlechten Gesundheitszustand und dass er zu schwach gewesen sei, die Stopptaste zu drücken. Nakowitz berichtete von einem Vergleich, den er mit der Bawag erreicht habe.
Der Senat zog sich schließlich zur Beratung zurück. Die Entscheidung wird heute, Donnerstag, verkündet.