"Jungfernzeugung" wird zum Gegenstand der Wissenschaft - 24 Prozent Erfolgsrate bei Mäusen.
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Bath/Wien. Manche Frauen bilden keine Eizellen, manche Männer keine Samenzellen. Dennoch könnte sich auch für sie der Traum vom eigenen Kind erfüllen - wenn es denn gelänge, aus Körperzellen Geschlechtszellen zu bilden.
Dazu müssten Mediziner etwa Hautzellen dazu bringen können, sich so zu verhalten wie Ovum und Spermium. Während Körperzellen Kopien ihrer Chromosomen erzeugen, um sich zu teilen, müssen Geschlechtszellen ihren Chromosomensatz von 46 auf 23 halbieren, um Platz für das Erbgut des Partners zu machen. Seit Jahren versuchen Forscher, die Umprogrammierung zu bewerkstelligen. Grundvoraussetzung ist eine Technologie namens Haploidisierung, bei der der Kern einer Körper- in eine Eizelle eingebracht werden muss. Alle bisherigen Versuche haben allerdings nicht zu einem lebensfähigen Embryo geführt.
Britische Forscher wählten nun einen anderen Ansatz. Sie haben die unbefruchteten Eizellen von Mäusen dazu gebracht, sich wie befruchtete Eizellen zu verhalten - und die Mäuse brachten gesunde Nachkommen zur Welt. "Es ist das erste Mal, dass eine volle Entwicklung auf diesem Weg erreicht wurde", betont Studienautor Anthony Perry von der Universität Bath, und: "Unsere Arbeit stellt das Dogma, wonach ausschließlich die Befruchtung von Ei- und Samenzelle zu neuem Leben führen kann, auf die Probe. In seine Conclusio stellt Perry zur Diskussion, dass das Verfahren irgendwann auch bei anderen Zelltypen getestet werden könnte. Wenn es funktioniert, könnten Eltern in Zukunft eigene Kinder haben, sogar ohne sie zu zeugen - eine Möglichkeit, die für eine rege Diskussion sorgt.
"Reparatur" von Embryonen
Für ihre im Fachblatt "Nature Communications" publizierte Studie bedienten sich die Forschenden der "Jungfernzeugung". Das Verfahren wird in der Medizin - angeblich nach der mythischen Entstehung der griechischen Göttin Pallas Athene - auch Parthenogenese genannt. Dabei handelt es sich um eine Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung. Fadenwürmer, Krebse, Schnecken und einige Fisch- und Vogelarten sind dazu fähig, Säugetiere jedoch nicht - dachte man bisher.
Bei menschlichen Eizellen trat die Parthenogenese besonders in den Anfängen der künstlichen Befruchtung in den 1980er Jahren auf. Damals waren die Zusammensetzungen der Kulturmedien, in denen der Frau entnommene Eizellen reifen, bevor sie mit den Spermien des Mannes befruchtet werden, noch nicht ideal. Dennoch oder vielleicht deswegen teilten die unbefruchteten Eizellen ihren Chromosomensatz ab einem gewissen Punkt. Allerdings konnten die so entstandenen Embryonen ohne den Chromosomensatz des Mannes nicht überleben.
Genau dieses Problem haben Perry und seine Kollegen nun umschifft. Sie lösten die Parthenogenese bei unbefruchteten Mäuse-Eizellen chemisch aus, indem sie sie in einem Strontium-Salz aussetzten. Danach befruchteten sie die parthenogenetischen Embryonen mit Spermien von Mäuserichen. 24 Prozent der Embryonen entwickelten sich genau wie auf natürlichem Weg - dieser Mäusenachwuchs kam gesund zur Welt.
Dennoch: Eine "Jungefernzeugung" fand genau genommen nur im medizinisch-fachlichen Sinn statt, und die Experimente wurden an Geschlechts- und nicht an umprogrammierten Körperzellen vorgenommen. "Es ist eine in alle Richtungen gut gemachte Studie. Parthenogenetische Eizellen wurden in verschiedenen Reife-Stadien mit Spermien und Vorstufen von Spermien befruchtet, was normalerweise kein Leben ermöglichen würde. Aber hier hat man erwiesenermaßen Embryonen repariert", sagt der Wiener Reproduktionsmediziner Wilfried Feichtinger. Österreichs Pionier der künstlichen Befruchtung hält Anwendungen in seinem Fachgebiet für naheliegender.