Schmied für "Entdramatisierung".
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Wien. Im Deutschunterricht trommelt ein Schüler einen Rhythmus auf seinem Schreibtisch. Statt ihn zu ermahnen, sollte die Lehrerin ihn für den tollen Beat loben und einladen, den Musikunterricht mit ihr gemeinsam zu gestalten. Dieses Beispiel von Wertschätzung der Schüler erzählte der Bildungsexperte Günter Funke vor rund 800 Pädagogen, die am Montag und Dienstag zu einem Vernetzungstreffen zum Thema Neue Mittelschule (NMS) ins Austria Center Vienna gekommen waren. Laut Funke hat diese Schulform einen Paradigmenwechsel hin zur Wertschätzung der Schüler, aber auch der Lehrenden eingeleitet.
Darüber sei er "begeistert, froh und erleichtert", so der Gründer der "Personalen Pädagogik" in seiner Podiumsrede. Unterrichtsministerin Claudia Schmied streute er Rosen: Sie sei die erste ihm bekannte Politikerin, die den Unterschied zwischen Bildung und Ausbildung erkenne.
Würde und Respekt stünden bei der NMS ganz besonders im Vordergrund, sagte auch Schmied, die vom Publikum mit wohlwollendem Applaus bedacht wurde. Kritiker der NMS fanden sich nicht, wie auch Schmied im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" bekannte: "Der Diskurs findet woanders statt."
2008 begann die NMS als Schulversuch, für Schmied das "größte Schulentwicklungsprojekt der Zweiten Republik", wie sie sagte. Sie betont die Wichtigkeit derartiger Vernetzungstreffen für die Mitwirkenden: "Für sie als Innovatoren ist es oft nicht einfach. Es ist wichtig, dass sie einander gegenseitig Kraft geben." Diese konnten sie bei Workshops, Diskussionen und Vorträgen tanken - oder beim anschließenden Kaffee und Gugelhupf im Foyer.
Hier trifft man auch Franz Wirth, Direktor der NMS Dornbirn, der von positiven Veränderungen seit dem Wechsel von der Hauptschule zur NMS vor drei Jahren berichtet: Gruppenarbeit statt Frontalunterricht, kleinere Klassen, Verbesserungen im Umgang mit den Schülern, mehr Miteinander unter den Lehrern. Probleme sieht er noch beim Bewusstsein der Eltern: "Sie glauben überwiegend noch nicht daran", so Wirth. Er beobachtet, dass sie ihre Kinder nun noch eher ins Gymnasium geben. Und AHS-Lehrer unterrichten an seiner NMS sowieso nicht.
"Eltern wollen das Beste für ihr Kind und wissen nicht, was das ist", so Funke. Schmied sprach sich für die "Entdramatisierung der Entscheidung" über den weiteren Bildungsweg mit 14 Jahren aus: Hätte man sie gefragt, was sie mit 14 machen wollte, hätte ihre Antwort sicher nicht "Politik" gelautet, meinte sie. Viel wichtiger sei es, in der Schule Rückgrat und Selbstbewusstsein zu stärken, sowie eine gewisse Resistenz gegen Widerstand und persönliche Angriffe aufzubauen.
Streit um AHS-Ausbau
Erst am Vormittag hatte Schmied erklärt, dass sie nicht daran denke, die AHS-Standorte auszubauen - zusätzliche Gelder würden nur in den Ausbau der NMS fließen. ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch kritisierte sie daraufhin scharf. Sie sei "Unterrichts- und nicht Ideologieministerin". Und: "Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: AHS-Plätze werden überall, aber vor allem in den Ballungszentren stark nachgefragt", so Rauch. Angesprochen auf die Kritik, meinte sie: "Ich bin Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur." Und Gastredner Funke eilte ihr zur Hilfe: "Bildungspolitik darf nicht zur Parteipolitik verkommen."