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ElWOG · Weichenstellung für die E-Wirtschaft

Von Leopold Bernd Fruhmann

Politik

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Den Abgeordneten war die Bedeutung ihrer Entscheidung für die Zukunft der österreichischen Elektrizitätswirtschaft klar. Monika Langthaler von den Grünen sprach sogar von der "größten

energiepolitischen Herausforderung seit Jahrzehnten". Für den Liberalen Thomas Barmüller ging es um "erste Schritte in Richtung hundertprozentige Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern", für FP-

Industriesprecher Thomas Prinzhorn um die Überwindung der "ineffizienten und privilegiendurchzogenen Strukturen aus dem letzten Jahrhundert".

Die Rede ist vom Elektrizitätswirtschafts-und -organisationsgesetz, kurz ElWOG, das in der Plenarsitzung des Nationalrates am 7. Juli mit SP-VP-Mehrheit beschlossen wurde. Die Energiesprecher der

Koalitionsparteien, Georg Oberhaidinger (SP) und Karlheinz Kopf (VP) verteidigten das Ergebnis harter, aber sachlicher Ausschuß- und Unterausschuß-Verhandlungen über die Regierungsvorlage, die sie

durch einen Abänderungsantrag erheblich verändert hatten, gegen heftige Kritik der Opposition. Kopf nannte das ElWOG einen "tragfähigen Kompromiß", Oberhaidinger erwartet einen "geordneten Übergang

der E-Wirtschaft von einer monopolartigen Ausgangslage in ein marktkonformes System".

Dieses Gesetz stelle sicher, "daß die Strompreise für Großkunden sinken, ohne daß Haushalte und Gewerbebetriebe zusätzlich belastet werden", fügten die SP-Abg. Kurt Eder und Herbert Kaufmann hinzu.

Erste Konzepte

Billige Energie für die im globalen Wettbewerb stehende Industrie hatte schon Jacques Delors in seinem Weißbuch zur Industriepolitik verlangt. Erste konkrete Konzepte für einen europäischen

Strombinnenmarkt enthielt ein Kommissionsentwurf aus dem Jahr 1991. Seine Grundsätze lauteten: Öffnung der geschützten Strommärkte, Wettbewerb zwischen den Produzenten, Nutzung der

Rationalisierungspotentiale. Zuerst die Großabnehmer, tendenziell aber alle Verbraucher, sollen ihren Stromproduzenten frei wählen können.

In rund fünfjährigen Diskussionen zwischen Kommission, Europäischem Parlament, Unternehmen sowie Wirtschafts- und Sozialausschuß erkannte die EU, daß manche Tätigkeiten der E-Wirtschaft als

öffentliche Dienstleistungen anzusehen sind und ein fairer Wettbewerb auf den geöffneten Märkten Rücksicht auf die unterschiedliche Energie- und Umweltpolitik in den Mitgliedstaaten erfordert.

Überdies sei dafür zu sorgen, daß Kostenvorteile für Großverbraucher nicht zu Nachteilen für die kleinen Verbraucher führen.

Der Kompromiß zwischen billigerer Energie durch Marktöffnung und dem öffentlichen Interesse an einer sicheren, ökologisch und sozial verträglichen Energieproduktion wurde 1996 als "Richtlinie des

Europäischen Parlaments und Rates betreffend gemeinsame Regeln für den Elektrizitätsbinnenmarkt" fixiert. Die EU verzichtete auf den Einsatz ihres Antimonopolinstrumentariums gegen die E-Wirtschaft

und beauftragte die Mitgliedsländer, eigene Modalitäten für die Verwirklichung des Strombinnenmarktes zu finden.

Mit Stichtag 19. Februar 1999 müssen sie folgende Prinzipien umsetzen: Beseitigung ausschließlicher Versorgungsrechte in der E-Wirtschaft, Netzzugang für zugelassene Kunden im Umfang von 25,4 Prozent

des gesamten Stromverbrauchs und Entflechtung von Produktion und Netzbetrieb in der Buchführung von Elektrizitätsunternehmen. Überdies müssen unabhängige Stromerzeuger ihre eigenen Betriebsstätten

beliefern können.

Mitte März dieses Jahres hat die Bundesregierung ihren ElWOG- Entwurf zur Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie dem Nationalrat vorgelegt. Schon im April begannen die Verhandlungen im

Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses aufgrund von Regierungsvorlage und Anträgen der Oppositionsfraktionen. Am 25. Juni, nach langwierigen Beratungen, gab der Obmann des Unterausschusses, Abg.

Kopf, dem Wirtschaftsausschuß das Verhandlungsergebnis bekannt: Kein Einvernehmen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien, aber ein Kompromiß zwischen den Koalitionsparteien über einen

Abänderungsantrag mit weitreichenden Modifikationen der Regierungsvorlage.

Die Änderungen galten der Organisation des Netzzugangs, der Finanzierung der Stranded Costs, Vorkehrungen gegen die Belastung von Kleinverbrauchern und der Förderung erneuerbarer Energieträger · die

Abgeordneten haben sich also nicht mit Detailänderungen begnügt, sondern tief in die Substanz des ElWOG eingegriffen.

Unbürokratischer Netzzugang

In der Frage der Organisation des Netzzugangs gab es kaum Kontroversen. Mit ihrem Abänderungsantrag ersetzten Kopf und Oberhaidinger das ihnen allzu bürokratisch erscheinende Alleinabnehmersystem

durch den geregelten Netzzugang, womit zugelassene Kunden einen Rechtsanspruch auf Benützung des Netzes zu den Allgemeinen Bedingungen und zu den festgesetzten Systemnutzungstarifen erhalten.

Atempause für die E-Wirtschaft

Umstritten war dagegen, wer wann zugelassener Kunde wird und Strom zu Marktpreisen kaufen kann. Hier prallten die Interessen von Industrie und E-Wirtschaft hart aufeinander. Wollen die einen

möglichst rasch billigeren Strom, brauchen die anderen Übergangsfristen zur Marktanpassung und zur Abschreibung unrentabel werdender Investitionen. Auf der Suche nach einem Kompromiß bremsten die

Abgeordneten von SPÖ und ÖVP mit ihrem Abänderungsantrag das Tempo der Marktöffnung für die Betreiber von Verteilernetzen ein. Nur die Verbundgesellschaft wird schon ab 19. Februar 1999 als freier

Kunde zugelassen.

Verteiler ohne Hochspannungsleitungen, also Landesgesellschaften und kommunale Versorger mit einem Abgabevolumen von über 40 GWh kommen ab 19. Februar 2002, solche mit mehr als 9 GWh erst ab 19.

Februar 2003 dazu. Unverändert blieb der Zeitplan zur Marktöffnung für industrielle Großverbraucher. Für sie gilt bei einem jährlichen Verbrauch von mehr als 40 GWh der 19. Februar 1999, ab 20 GWh

der 19. Februar 2000 und ab 9 GWh der 19. Februar 2003 als Stichtag.

Hauptausschuß entscheidet mit

Die Öffnung der Stromerzeugermärkte verlangt die Festsetzung von Netzbenützungstarifen für zugelassene Kunden. Sie zahlen künftig grundsätzlich zwei Tarife: den frei mit dem Erzeuger vereinbarten

Produzententarif und den vom Wirtschaftsminister per Verordnung genehmigten Systemnutzungstarif des Netzbetreibers, der Errichtung und Wartung der Leitungsanlagen als öffentliche Dienstleistung

anbietet. Da die Abgeordneten bei den Grundsätzen für die Prüfung der Anträge mitreden wollen, wird der Wirtschaftsminister seine diesbezügliche Verordnung vom Hauptausschuß genehmigen lassen müssen.

Stranded Investments

Das schwierigste Problem auf dem Weg zum ElWOG-Beschluß blieb trotz des geänderten Zeitplans für die Marktöffnung die Finanzierung der Stranded Costs, also unrentabel werdender Investitionen und

Lieferverpflichtungen der E-Wirtschaft aus der Monopolzeit. Aus Gründen der Gerechtigkeit verständigten sich die Koalitionsparteien darauf, jene zur Kasse zu bitten, die von der Liberalisierung am

meisten profitieren: die zugelassenen Kunden. Sie werden mit einem Zuschlag zum Netztarif einen Fonds speisen, aus dem der Wirtschaftsminister Elektrizitätsunternehmen Betriebsbeihilfen zuerkennen

kann. Ein Füllhorn an Subventionen können die Betriebe aber nicht erwarten.

Denn die Zuschüsse werden nur für die von der EU anerkannten Stranded Costs gewährt, und auch nur in jenem Ausmaß, das "für die Sicherung der Lebensfähigkeit des Unternehmens unbedingt erforderlich

ist." Überdies wird der Minister bei der Bemessung der Betriebsbeihilfe Möglichkeiten zum konzerninternen Vermögensaugleich, Ertragskraft, Eigenmittel und tatsächliche Marktöffnung berücksichtigen

müssen. Auch wird er seine Entscheidungen nicht alleine, sondern gemeinsam mit dem Parlament treffen. Denn Kopf und Oberhaidinger haben sich mit ihrem Vorschlag auf Mitsprache des Hauptausschusses

bei der Betriebsbeihilfenverordnung durchgesetzt.

In die Übergangsregelungen zur Bewältigung der Stranded Costs wurden auch Erlösminderungen bei der Verstromung inländischer Braunkohle bis zum Auslaufen der diesbezüglichen Verträge im Jahr 2008

einbezogen. Als mengenmäßige Obergrenze gelten 3 Prozent des heimischen Elektrizitätsverbrauchs.

Aufrecht bleiben auch die Stromlieferungsverträge zwischen Netzbetreibern und Verteilerunternehmen bis zum 31. Dezember 2003. Bis dahin wird der Wirtschaftsminister die in den Verträgen enthaltenen

Höchstpreise per Bescheid oder Verordnung Schritt für Schritt an die Marktpreise heranführen: ab 1. Jänner 2000 wird die Differenz zum Marktpreis um 20 Prozent, ab 1. Jänner 2001 um 40, ab 1. Jänner

2002 um 60, ab 1. Jänner 2003 um 80 Prozent und ab 1. Jänner 2004 auf null gesenkt.

Gewerbe, Bauern und Haushalte

In der ElWOG-Debatte ging es aber nicht nur um Industrie und E-Wirtschaft, sondern auch um Klein- und Mittelbetriebe, Bauern und um die Erhaltung der international attraktiven Haushaltstarife.

Denn die Abgeordneten fürchteten, daß die E-Wirtschaft ihre Erlöseinbußen bei den Großen auf die Kleinen überwälzt, die an Fixtarife gebunden bleiben. Dem schob der Nationalrat einen Riegel vor,

indem er eine Entschließung der Abgeordneten Kopf und Oberhaidinger annahm, mit der die Preise für Tarifabnehmer bis 1. Jänner 2001 eingefroren werden. Auch danach dürfen die Strompreise bis 1.

Jänner 2003 nur im Falle "besonders großer Preissprünge bei Primärenergie" steigen.

Zur Kontrolle der Preisdisziplin gegenüber nicht zugelassenen Kunden wird eine neue Strompreis-Aufsicht geschaffen. Der Elektrizitätsbeirat, bestehend aus Vertretern von Bund, Ländern, Gemeinden und

Sozialpartnern wird den Wirtschaftsminister bei der Festsetzung von Tarifen beraten. Für den Fall, daß dieses Preis-Aufsichtssystem zum Schutz der Kleinverbraucher nicht ausreicht, haben

Wirtschaftsausschuß und Plenum den Wirtschaftsminister aufgefordert, andere Mittel einzusetzen · bis hin zum amtswegigen Preisverfahren und zum Tarifbescheid.

Ökopaket

Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Abgeordneten dem Vorrang erneuerbarer Energieträger bei der Stromerzeugung, laut ElWOG sind dies Wasserkraft, Biomasse, Biogas, Wind und Sonne sowie · seit

dem Abänderungsantrag · auch die Geothermik. Bereits die Regierungvorlage sah vor, Erzeugern den Netzzugang zu verweigern, wenn Strom aus erneuerbaren Energieträgern, von fernwärmeorientierten und

umweltschonenden Kraftwerken oder Kraft-Wärme-Kopplungen verdrängt würde. Die vorrangige Inanspruchnahme von Erzeugungsanlagen auf der Basis von erneuerbaren Energieträgern, Abfällen oder der Kraft-

Wärme-Kopplung wird den Elektrizitätsunternehmen mit dem ElWOG nunmehr als eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt.

Darüber hinaus schreibt der SP-VP-Abänderungsantrag den Ländern vor, ihre Verteilernetzbetreiber per Landesgesetz und Verordnung zu veranlassen, zunehmend Strom aus Biomasse, Biogas, Deponie- und

Klärgas, geothermischer Energie, Wind und Sonnenenergie zu Mindestpreisen abzunehmen, bis diese Energiequellen im Jahr 2005 einen Anteil von drei Prozent am gesamten Stromverbrauch erreichen.

Erlösminderungen durch die Abnahme des teureren Ökostroms werden den Verteilern durch einen Zuschlag auf die Netztarife abgegolten. Dazu kommt das Recht aller Kunden Strom aus neuen regenerativen

Quellen direkt beim Produzenten zu beziehen. Die Voraussetzung dafür schafft eine von Kopf und Oberhaidinger im Ausschuß durchgesetzte Änderung des Starkstromwegegesetzes: Öko-Stromerzeuger dürfen

nun eigene Leitungen zu den Kunden bauen. Den Verkauf von Öko-Strom quasi "ab Hof", haben auch die Abg. Langthaler und Barmüller begrüßt.

Schließlich hat der Nationalrat vom Wirtschaftsminister auf Initiative von SPÖ und ÖVP verlangt, die Errichtung von Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Quellen zu forcieren und die

Förderungsmaßnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden bestmöglich zu koordinieren.

Kontra von FPÖ, LIF und Grünen

In Wirtschaftsausschuß und Plenum stießen die konträren Standpunkte von Koalition und Opposition aufeinander. Die Oppositionssprecher, allen voran Prinzhorn, Barmüller und Langthaler meinten, daß

mit dem ElWOG die historische Chance vertan werde, die heimische E-Wirtschaft effektiv auf den europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt vorzubereiten. Das Gesetz diene nur der minimalen Erfüllung der EU-

Richtlinie, die veralteten Strukturen der E-Wirtschaft blieben aber aufrecht. Die Überkapazitäten bei den Kraftwerken und die mangelnde Koordination der Unternehmen würden nicht angetastet, darin

lägen aber die Ursachen für die überhöhten Strompreise und die mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Die Koalition habe sich weder zu einer österreichweiten Netzgesellschaft

noch zu einer Kraftwerksholding durchgerungen, was einem Verzicht auf die Nutzung von Synergieeffekten gleichkomme. So könnten die Unternehmen nicht überleben, meinte Langthaler. Sie rechnet mit

weiteren Verkäufen ans Ausland nach dem Muster des Geschäfts zwischen Energie Steiermark und Electricite de France.

Für Prinzhorn bringt das ElWOG keine Liberalisierung, sondern diene dem Schutz der E-Wirtschaft. Im übrigen sei es ein "zahnloser Tiger", sagte er und brachte seinen schon im Ausschuß abgelehnten

Entschließungsantrag erneut ein. Darin trat er für eine Neuorganisation der E-Wirtschaft nach marktwirtschaftlichen Kriterien und für den Schutz der Tarifkunden durch eine wirksame Preisaufsicht ein.

Zweiter Angriffspunkt für oppositionelle Kritik am ElWOG waren die Bestimmungen zur Förderung erneuerbarer Energieträger. Positiv reagierte Langthaler auf die Chance, Strom aus neuen regenerativen

Energien direkt zu vermarkten. Das Ziel, deren Anteil an der Stromerzeugung bis 2005 auf 3 Prozent zu steigern, hielt sie mangels Begleitmaßnahmen (faire Einspeistarife, reduzierter Netztarif,

Befreiung von Systemnutzungstarif, Ökostromzuschlag und Elektrizitätsabgabe) aber für unerreichbar. Wie Österreich seine Kyoto-Verpflichtung zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 13 Prozent

erfüllen soll, werde zum Rätsel. Barmüller, der Langthaler zustimmte und das ElWOG als nicht zukunftweisend ablehnte, bedauerte, daß der Ökostrom-Markt in Österreich nicht forciert werde. Maximilian

Hofmann (F) sprach sogar von einer Behinderung erneuerbarer Energieträger und warnte vor einem Ausverkauf der E-Wirtschaft, wodurch auch die Trinkwasserressourcen in ausländische Hände geraten

könnten.

Plädoyers der Koalitionsparteien

VP-Abg. Kopf erinnerte die Oppositionssprecher an die starken Gegensätze, die bei den Zielvorstellungen des ElWOG in Einklang gebracht werden mußten. Es sei gelungen, die regionalen und

historischen Besonderheiten, die stark zersplitterte Eigentümerstruktur und die Notwendigkeit, Preise zu senken, ausgewogen "unter einen Hut zu bringen". Das ElWOG stelle einen tragfähigen Kompromiß

zwischen wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und regionalen Anliegen dar. Wichtige Arbeit sei aber noch zu tun: Schon in diesem Herbst stehen Wirtschaftsminister und Hauptausschuß bei den

Verordnungen zur Regelung der Netzgebühr und zur Vergütung der Stranded Costs vor großen Herausforderungen.

Franz Steindl (VP) zeigte sich überzeugt, daß langfristig nicht nur die Großabnehmer, sondern auch die kleinen Haushalte von der Liberalisierung profitieren werden. Aus der Sicht der Landwirtschaft,

die ihre bedeutenden Biomassereserven wirtschaftlich nutzen will, artikulierte VP-Abg. Rudolf Schwarzböck die Hoffnung auf 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze durch Verstromung erneuerbarer

Energieträger. Er drängte daher mit Nachdruck darauf, den Anteil der erneuerbaren Energien möglichst rasch auf die angepeilten 3 Prozent zu erhöhen.

SP-Abg. Oberhaidinger forderte FPÖ, Liberale und Grüne auf, die 50-jährige Entwicklung der österreichischen E-Wirtschaft nicht einfach vom Tisch zu wischen und warb für den ElWOG-Kompromiß, der die

Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich vergrößert. Lob für die E-Wirtschaft fiel in der ElWOG-Debatte nur selten, die Ausnahme bildete SP-Abg. Kurt Heindl · er würdigte die Leistungen der

Elektrizitätsunternehmen bei der Errichtung des geopolitisch wichtigen österreichischen Stromnetzes.

SP-Abg. Peter Marizzi lenkte den Blick auf die großen Weichenstellungen, vor denen die europäische Energiewirtschaft insgesamt stehe und ließ mit der Bemerkung aufhorchen, die eigentlichen Stranded

Investments seien die Atomkraftwerke mit ihren Sicherheits- und Entsorgungsproblemen. In dieselbe Kerbe schlug auch sein Fraktionskollege Kurt Gassner, der verlangte, EU-weit die

volkswirtschaftlichen Kosten der verschiedenen Energieträger zu berechnen, vor allem der Atomenergie.

Farnleitners Wortmeldung

Wirtschaftsminister Farnleitner setzte sich in seiner Wortmeldung zunächst mit den "Angstschreien" mancher Manager der E-Wirtschaft vor dem ElWOG auseinander und verwies auf die positiven

Reaktionen der Börse auf den ElWOG-Beschluß im Ausschuß. Für unangebracht hielt Farnleitner auch Klagen der Industrie, zumal ihm Großabnehmer ihre "außerordentliche Zufriedenheit" mit den zum Teil

bereits vorverhandelten Strompreisen signalisiert hätten. Einen wissenschaftlichen, forschungspolitischen und nutzungstechnischen Schwerpunkt will Farnleitner bei der Verstromung der Biomasse setzen.

"Denn 13 bis 15 Millionen Festmeter ungenutzter Waldzuwachs jährlich verlangen für den Minister nach einer Lösung. Befürchtung der Opposition wegen strukturkonservierender Wirkungen des ElWOG hielt

Farnleitner für unbegründet.

Im Gegenteil: Das ElWOG und die dazugehörenden Entschließungen des Nationalrates werden "eine normative Kraft des Faktischen in Bewegung setzen und zu einem strukturellen Umbruch führen, dessen Tempo

Sie alle unterschätzen", zeigte sich Wirtschaftsminister Farnleitner optimistisch. · Die Energieberichte der kommenden Jahre werden den Abgeordneten und Bundesräten Gelegenheit bieten, die

Auswirkungen des ElWOG zu überprüfen. Man darf gespannt sein, wie sich die Bilanzen der österreichischen E-Wirtschaft, ihre Marktanteile und Beschäftigung sowie die Stromtarife entwickeln und

inwieweit es gelingt, zusätzliche erneuerbare Energiequellen zu erschließen.Õ

Leopold Bernd Fruhmann ist Mitarbeiter des Parlamentarischen Pressedienstes

OKTOBER 1998