Die EU hat Wort gehalten. Angesichts der dramatischen Umwälzung in Jugoslawien haben die Außenminister am Montag die Sanktionen gegen Belgrad aufgehoben. Der deutsche Bundesaußenminister Joschka Fischer schwärmte: "Nun ist auch das letzte Stück Mauer, das letzte Stück Diktatur in Europa zerbrochen." Doch mit dem Ende der Sanktionen allein ist den Serben nicht geholfen. Das kriegsgeschädigte Land braucht Geld - und das möglichst schnell.
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Zwar stellte die EU in großen Worten Soforthilfen und Wiederaufbauprogramme in Aussicht. Doch wie diese finanziert werden sollen, und wann der erste Euro rollen kann, darauf fanden die Minister am Montag keine Antwort. Ungerührt parierte der französische Ratspräsident Hubert Vedrine die Fragen mit dem Hinweis, die EU sei alles andere als eine Hilfsorganisation.
Dabei ist schnelle Hilfe wichtig: Eindringlich schilderte Balkan-Koordinator Bodo Hombach die desolate Lage in serbischen Krankenhäusern: "Es herrscht Not im Gesundheitswesen." Zudem fehle es mancherorts sogar an Nahrungsmitteln. Doch nicht nur humanitäre Gründe drängen. Fischer wies auf die möglichen politischen Folgen unterlassener Hilfeleistung in Serbien hin: "Der Erfolg der serbischen Demokratie hängt von der Verbesserung der Lebensverhältnisse ab." Doch über das weitere Vorgehen in Sachen Finanzhilfe sind sich die EU-Staaten offenbar längst nicht einig. Fischer drängte auf möglichst konkrete Finanzzusagen beim Gipfeltreffen in drei Tagen im französischen Biarritz und beim Balkan-Sondergipfel in Zagreb Ende November: "In Biarritz und Zagreb muss Butter bei die Fische, aber nicht die Ankündigung von Butter.". Vedrine dagegen wollte von solchen Festlegungen vorerst nichts wissen.
Welche Töpfe für die Hilfen angezapft werden sollen, ist derzeit völlig unklar. Nach Angaben von Diplomaten könnten noch in diesem Jahr zehn Millionen Euro (137,6 Mill. S) als Soforthilfe für Serbien zur Verfügung gestellt werden. Es sei aber an der EU-Kommission, einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Diese will sich in den kommenden Tagen erst einmal vor Ort erkundigen, wieviel Geld für welche Projekte am Nötigsten ist. Unklar ist zudem, aus welchen anderen Programmen dies Geld genommen werden könnte. Doch Diplomaten geben sich zuversichtlich: "Drei Monate vor Ende des Jahres kann man immer irgendwo Geld lockermachen."
Die mögliche langfristige Serbien-Hilfe der EU steht ebenfalls noch in den Sternen. Die EU-Kommission hatte bereits vor einem halben Jahr vorgeschlagen, Serbien bis 2006 insgesamt 2,3 Mrd. Euro (31,6 Mrd. S) zur Verfügung zu stellen. Dies Summe gehörte zum Hilfsprogramm von 5,5 Mrd. Euro für den gesamten Balkan. Doch die Mittelmeer-Staaten fürchten, dass dies zu Lasten ihrer Region gehen könnte, da die EU für Balkan- und Mittelmeer-Hilfen zusammen keinesfalls mehr als zehn Milliarden Euro ausgeben will. Angesichts des abzusehenden Tauziehens in der EU setzt Hombach vor allem auf nationale Hilfen. "Die sind deutlich schneller vor Ort und unbürokratischer", sagte er.