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Britische Forscher dürfen erstmals menschliche Embryonen gezielt verändern - Ethikkommission muss noch zustimmen.
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London/Wien. Großbritannien erlaubt als erstes Land die genetische Manipulation von Embryonen. Damit dürfen Forscher erstmals menschliches Erbgut gezielt verändern. Im Rahmen eines Forschungsprogramms zu Frühgeburten hat die zuständige Behörde Hefa (Human Fertilisation and Embryology Authority) einen Antrag des britischen Francis Crick Institute genehmigt. Die Molekularbiologin Kathy Niakan will erforschen, welche Gene die erfolgreiche Entwicklung menschlicher Embryonen steuern. Die Erlaubnis gelte nur für Forschungszwecke, betonte die Hefa am Montag.
Zum Hintergrund: Künstliche Befruchtung kann unfruchtbaren Paaren eigene Kinder ermöglichen, resultiert aber häufig in Fehlgeburten. Um die Gründe zu kennen, müsse man "verstehen, welche Gene menschliche Embryonen brauchen, um sich erfolgreich zu entwickeln", erläutert Niakan.
Die Zulassung betrifft die 2012 publizierte CRISPR/Cas9-Methode, die es erlaubt, kranke Gene in der DNA zu bestimmen und gezielt auszuschalten. Mit ihr kann die DNA fast eines jeden Organismus - von der Fruchtfliege über den Zebrafisch bis hin zum Menschen - schnell, einfach und zu geringen Kosten verändert werden. Die Grundlage ist ein Enzym namens Cas9, das ganz bestimmte Orte in der DNA aufspüren kann. Wenn es sein Ziel gefunden hat, kann es dort wie eine Schere ausgewählte Gene zerstören (oder auch: "ausschneiden") und andere Gen-Sequenzen an deren Stelle einsetzen.
Forscher wollen mit CRISPR/Cas9 Erbkrankheiten heilen, Pathogene ausrotten und widerstandsfähigere Pflanzen züchten. Das einzige Problem ist, dass sich die Methode so rasant entwickelt hat, dass eine ethische Debatte und sicherheitstechnische Bedenken dazu erst jetzt richtig anlaufen. Vergangenen April kam bereits die erste Nachricht von einem Einsatz der zuvor nur im Tiermodell getesteten Methode in der Embryonenforschung. Die Brisanz dieses Fortschritts wurde besonders deutlich, als sich im Dezember führende US-Forscher bei einem Gen-Gipfel in Washington darauf einigten, CRISPR/Cas9 vorerst nicht für Eingriffe in die menschliche Keimbahn anzuwenden. Somit will man Eizellen und Spermien - noch - nicht genetisch manipulieren, damit Erbgut-Veränderungen nicht an Nachkommen weitergegeben werden können.
Aktive Veränderungen der menschlichen DNA sind äußerst umstritten. Die britische Zulassung von CRISPR/Cas9 dürfte daher eine ethische Debatte anheizen. Einerseits verspricht sich die Forschung davon Fortschritte in der Bekämpfung seltner Erbkrankheiten, wie Muskeldystrophie oder Sichelzellenanämie. Andererseits warnen Kritiker vor "Designer-Babys". Manche Experten bevorzugen hier die ebenfalls umstrittene Gen-Diagnose an der befruchteten Eizelle, die Präimplantationsdiagnostik. Sie ist weniger invasiv. Dabei wird der befruchtete Embryo im Labor untersucht, bevor er in den Mutterleib eingesetzt wird: Statt die DNA zu verändern, könnten von vornherein gesunde Embryonen ausgesucht werden.
In Großbritannien streben Kathy Niakan und ihre Kollegen nun Versuche an gesunden Zellen an. Zunächst wollen sie die Aktivität eines regulierenden Gens blockieren. Die Arbeit soll sieben Tage dauern und beendet werden, wenn der Embryo aus 250 Zellen besteht. Die Embryonen werden von Paaren gespendet, die bei einer künstlichen Befruchtung erfolgreich waren. Bei dem Prozess bleiben normalerweise befruchtete Embryonen übrig, die nicht eingesetzt werden müssen, weil eine Schwangerschaft zustande kommt.
Ethikkommission noch nötig
Niakan und ihr Team dürfen die Embryonen nach den Experimenten nicht weiter verwenden. Somit werden sie weder in den Mutterleib eingesetzt noch kommen sie in der Therapie zum Einsatz. Zudem steht die Zustimmung einer Ethikkommission noch aus. Erst dann können die Experimente tatsächlich beginnen.
Britische Forscher begrüßten die Entscheidung. Damit würden neue Einblicke in grundlegende Gen-Mechanismen gewonnen, sagte etwa der Gynäkologe Peter Braude vom Londoner King’s College. Der deutsche Experte Hans Schöler bewertet die Entwicklung hingegen mit Skepsis: "Diese Forschung hat eine neue Qualität. Sie öffnet eine Tür, gezielt in die Keimbahn eines menschlichen Embryos einzugreifen", sagte der Leiter des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin der Deutschen Presse Agentur. "Dass solche Eingriffe nicht durchgeführt werden, war bisher internationaler Konsens. Die Briten wollen offenbar eine Vorreiterrolle einnehmen." Letztlich werde die Forschung aber darauf abzielen, Krankheiten zu vermeiden.
In Österreich wäre eine derartige Genehmigung nicht möglich, da aus der künstlichen Befruchtung übrige Embryonen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden dürfen.
Francis Crick Institute
HFEA
Crispr/Cas9-Methode (Wikipedia-Eintrag)