EMI kämpft mit Zahlungsproblemen. | Musikindustrie in Österreich sieht die Talsohle erreicht. | New York/Wien. Der angeschlagene britische Musikkonzern EMI könnte demnächst verkauft werden. US-Rivale Warner Music verhandle seit mehreren Wochen mit BMG Rights Management über ein gemeinsames Kaufangebot für den viertgrößten Musikkonzern der Welt, sagten mit den Verhandlungen vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters. BMG Rights Management ist ein Joint-Venture des deutschen Medienkonzerns Bertelsmann mit dem US-Finanzinvestor KKR.
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Vorerst bleibt noch unklar, ob 100 Prozent oder nur Teile des Traditionskonzerns EMI verkauft werden sollten. Dem Vernehmen nach ist BMG einzig und allein am Musik-Katalog von EMI interessiert. Bertelsmann führte bis September 2008 mit dem zweitgrößten Musikkonzern Sony Music das Gemeinschaftslabel Sony BMG. Dann trennte sich Bertelsmann von seinem Anteil, behielt aber die Rechte an den Aufnahmen von mehr als 200 Künstlern - die Basis für das neu gegründete Unternehmen BMG Rights Management.
Warner Music hat hingegen ein Auge auf die Sparten Aufnahme und Vertrieb geworfen. Der drittgrößte Musikkonzern hatte bereits jahrelang vergeblich versucht, EMI zu übernehmen. Warner, wo Sänger wie Alanis Morissette, James Blunt oder Enya unter Vertrag sind, hat jedoch selbst den Umbruch in der Musikbranche noch nicht verdaut. Im ersten Geschäftsquartal per Ende Dezember 2009 gab es einen Verlust von 17 Millionen Dollar (12,35 Millionen Euro).
EMI steckt in der Klemme
Der angeschlagene Konzern EMI ist unterdessen ein abschreckendes Beispiel dafür, was bei Übernahmen durch Privatinvestoren alles schieflaufen kann. Bereits 2007 wurde EMI zur Gänze von der branchenfremden Beteiligungsgesellschaft Terra Firma gekauft. Terra Firma nahm dafür einen Kredit in Höhe von 1,1 Milliarden Euro auf und übertrug die Schulden auf EMI. 2000 von 7500 Mitarbeitern wurden gekündigt, und EMI machte im Geschäftsjahr 2009 insgesamt 1,8 Milliarden Euro Verlust.
Nun hat EMI Probleme, die Kredite zurückzuzahlen: Im März stehen Verträge über 2,6 Milliarden Pfund (2,8 Milliarden Euro) Schulden zur Überprüfung an. Dadurch komme es zu einer "wahrscheinlich bedeutenden Deckungslücke", erklärte der britische Konzern, der die Rechte auf Künstler wie Pink Floyd, die Beatles, Robbie Williams und Coldplay hält.
Ein Gebot ist unwahrscheinlich, solange EMI seine Probleme mit dem US-Hauptgläubiger Citigroup nicht gelöst hat, schreibt die "Sunday Times". Terra Firma hat seine Investoren bereits aufgefordert, weitere Millionen in EMI zu stecken. Ein weiterer Rückschlag für EMI war, dass Stars wie die Rolling Stones oder Radiohead das Label verlassen haben, weil sie sich missverstanden und schlecht betreut fühlten.
Downloads legen zu
Die Rock-Legenden Rolling Stones wechselten zum weltgrößten Musikkonzern Universal Music, der allerdings im Vorjahr auch mit einem Umsatzrückgang von sechs Prozent schwächelte, wie die französische Mutter Vivendi bekanntgab.
Zu schaffen machen der Musikbranche nach wie vor Raubkopien und illegale Online-Tauschbörsen. "Die Digitalisierung hatte dramatische Folgen für die Musikindustrie: Jobs wurden abgebaut, kleinere Firmen mussten schließen", sagt Thomas Böhm, Pressesprecher des Verbands der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI). Durch Aufklärung und rechtliche Verfolgung wurden die illegalen Tauschbörsen teilweise eingedämmt. "Die Gratis-Downloads sind aber weiter ein Bremsklotz für die Musikindustrie", sagt Böhm.
Die CD-Verkäufe gehen seit Jahren zurück, der Verkauf von Downloads macht den fehlenden Umsatz nicht wett. Zwar legte der Online-Musikmarkt in Österreich im Vorjahr um 38 Prozent auf 16 Millionen Euro zu. Insgesamt schrumpfte der Musikmarkt aber wertmäßig um 1,6 Prozent auf 182 Millionen Euro. "Die Talsohle könnte erreicht sein, der Turnaround ist zumindest in Sicht", zeigt sich IFPI-Geschäftsführer Franz Medwenitsch optimistisch.
Geld verdienen ließe sich vor allem mit Merchandising-Artikeln - vom T-Shirt bis zur Tasse, so Böhm. Sony Music hat laut IFPI mit AC/DC-Accessoires bereits mehr eingenommen als mit dem Album selbst.