Zum Hauptinhalt springen

Emissionen: Die EU muss mehr tun

Von Nitesh Shah

Gastkommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Baisse bei Carbon-Futures endete 2017, wobei sie zwischen Juli 2017 und Juli 2019 einen kumulativen Zuwachs von 375 Prozent verzeichneten. Damit ist Kohlenstoff der Rohstoff mit der besten Wertentwicklung in den vergangenen zwei Jahren und übertrifft die Rallyes bei Palladium, Öl und Gold, die in jüngster Zeit für Schlagzeilen sorgten. Als weniger bekanntes Warentermingeschäft ist Kohlenstoff für die meisten Investoren unbemerkt geblieben. Angesichts weltweit steigender Temperaturen wird die Europäische Union - die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hat - wahrscheinlich ihre Anstrengungen verdoppeln, um einen Anstieg der Treibhausgasemissionen zu verhindern.

Kohlenstoff hat sich von seiner niedrigen Ausgangsbasis erholt. Seit Einführung des Emissionshandelssystems der EU im Jahr 2005 war die Kalibrierung der Anzahl der Genehmigungen für umweltschädliche Tätigkeiten (Zertifikate) eine schwierige Aufgabe. Ein Absturz der Kohlenstoffpreise von mehr als 30 Euro pro Tonne im Jahr 2008 unter 5 Euro im Jahr 2013 setzte einen Bärenmarkt in Gang, der fast acht Jahre andauerte. Die große Finanzkrise mag den Absturz ausgelöst haben, aber die europäische Wirtschaft hatte sich längst erholt, während der Kohlenstoffpreis aufgrund eines Überangebots an Zertifikaten nachgelassen hatte. Dies erklärt, warum die EU ihre Bemühungen um eine geringere Verfügbarkeit von Zertifikaten verdoppelt hat. Sie kürzte das Angebot seit Beginn der dritten Phase des Emissionshandelsprogramms im Jahr 2013 um 1,74 Prozent pro Jahr. Mit Beginn der vierten Phase im Jahr 2021 werden die Zertifikate bis 2030 um 2,2 Prozent gekürzt.

Offensivere Reduzierung der CO2-Emissionen notwendig

Mit der konjunkturellen Erholung haben umweltbelastende Aktivitäten zugenommen. BP-Daten zufolge sind die CO2-Emissionen in der Region zwischen 2013 und 2017 gestiegen. Die Fortschritte zur Begrenzung des Eintritts schädlicher Gase in die Atmosphäre waren daher enttäuschend. Um einen kontinuierlichen Rückgang der Emissionen zu gewährleisten, ist eine offensivere Reduzierung der Zertifikate in Phase vier von entscheidender Bedeutung.

Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und dem damit verbundenen Versprechen, den globalen Temperaturanstieg auf 2 Grad zu begrenzen, steht die EU unter Druck. Sie muss mehr tun. Die EU-Kommission gleicht der Europäischen Zentralbank sehr. Statt jedoch die Geldmenge so zu steuern, dass ein bestimmtes Inflationsniveau angestrebt wird, ist die EU-Kommission dafür verantwortlich, die CO2-Zertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems so anzupassen, dass ein angemessenes Niveau an CO2- und anderen Emissionen erreicht wird, um den Temperaturanstieg zu begrenzen.

Wir sehen jedoch einen deutlichen Unterschied: Die EU-Kommission wird ihre Politik hierzu in naher Zukunft nicht lockern, weil das Ziel selbst wahrscheinlich zwingender wird - im Gegensatz zum Inflationsziel der EZB, das sich seit seiner Einführung nicht geändert hat. Wir sehen auf absehbare Zeit eine Verschärfung der Politik im Emissionshandel. Angesichts der neuen Führung der EU-Kommission ist der Markt davon überzeugt, dass die Kommission die politische Stabilität aufrechterhalten wird, um das Programm zur Emissionsbegrenzung fortzusetzen.

Risiken von Brexit bis Ungleichheit nicht ignorieren

Es gibt Risiken, die nicht ignoriert werden dürfen: Etwa den Brexit - der Emissionshandel der EU ist derzeit auf die Beteiligung Großbritanniens angewiesen. Was passiert, wenn das Vereinigte Königreich das System ungeordnet verlässt? Würden Zertifikate britischer Institute den Markt überschwemmen? Wird der zunehmende Populismus - ähnlich der "Gelbwesten"-Bewegung - die Grundlage des Klimamanagements auf Kosten billigerer Energie ablehnen? Werden die Regierungen jene weiterhin vernachlässigen, die sich in den vergangenen zehn Jahren vom wirtschaftlichen Aufschwung und steigenden Vermögenswerten ausgeschlossen fühlten? Wenn ja, werden Klimaziele weiterhin der Sündenbock für sinkende Lebensstandards für weniger qualifizierte und wirtschaftlich marginalisierte Menschen sein?

Es existieren eindeutige Abhilfemaßnahmen: Die Notfallplanung für den Brexit hat bereits begonnen. Die britische Regierung behauptet, dass sie fest an ihren internationalen Klimaschutzabkommen festhalte und es daher unwahrscheinlich sei, dass der EU-Austritt den Emissionshandel untergraben könnte. Ebenso wahrscheinlich ist ein "grüner Aufstand". Bei den jüngsten EU-Wahlen erhielten die Grünen in Berlin, Dublin und Brüssel die meisten Stimmen. Einige politische Kommentatoren prognostizieren den Grünen im Entscheidungsprozess die Rolle von "Königsmachern". Damit wird die Umweltpolitik wahrscheinlich ganz oben auf der Tagesordnung verbleiben.

Die zukünftigen Kohlenstoffpreise waren immer von politischen Entscheidungen abhängig. Wir erwarten keinen Bruch mit der Vergangenheit. Wir glauben jedoch, dass die Untätigkeit der Politik zu diesem Zeitpunkt weitere Gewinne stark unterstützt, während die Europäische Union übergeordnete umweltpolitische Auswirkungen im Auge hat.