Es waren ebenso teure wie erhellende 24 Stunden, die uns die Innenpolitik am Dienstag dieser Woche bescherte. Kanzler Werner Faymann und Finanzstaatssekretär Andreas Schieder erklärten, kleinere Spitäler schließen zu wollen, was durch und durch vernünftig wäre, sowohl medizinisch als auch ökonomisch. Doch kaum war die Idee in die Welt gesetzt, wurde sie von den Landeshauptmännern Michael Häupl und Franz Voves, die ja beide vor heiklen Wahlen stehen, gekillt. Nach 24 Stunden war der intelligenteste Vorschlag seit langem mausetot.
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Diese Episode ist teuer, weil damit unnötige Kosten in Milliardenhöhe auch weiterhin finanziert werden müssen, aber sie ist auch erhellend: Hier wurde ganz deutlich und beispielhaft sichtbar, warum Österreich in vielen Bereichen völlig reformresistent ist. Wenn Politiker nicht nach richtigen Lösungen suchen, sondern nur nach solchen, von denen sie vermuten, dass sie eine Mehrheit der Bevölkerung für richtig hält, sind die zwingende Folge sub-
optimale Lösungen, meist in Form eines Triumphs der Kräfte der Beharrung.
Medizinisch etwa ist völlig unumstritten, dass zu viele zu kleine Spitäler nicht nur irre teuer sind, sondern auch tendenziell schlechtere Qualität produzieren. Denn ob man eine Operation überlebt, hängt nicht zuletzt von der Anzahl derartiger Operationen ab, die an einem Haus pro Jahr durchgeführt werden. Was Faymann und Schieder vorgeschlagen haben, ist daher im objektiven Interesse der Bevölkerung. Voves und Häupl nutzen hingegen politisch den Umstand, dass ein Krankenhaus in Reichweite subjektiv das Sicherheitsgefühl erhöht - auch wenn das objektiv völlig falsch ist.
Das Problem ist nicht, dass sie das tun, sondern dass sich derartige Politik der Gefühle immer mehr gegen Sachpolitik durchsetzt. Wenn etwa Tirols Landeshauptmann Günther Platter im Streit um den Brennertunnel sinngemäß sagt, die Meinung der Experten sei ihm egal, ihm gehe es um die Meinung der Bevölkerung, beschreibt er unfreiwillig das Problem, das er mit dieser Haltung darstellt. Und nicht nur er. Von der sinnlosen, teuren Wacht des Bundesheers in der pannonischen Schengen-Tiefebene bis eben zum jüngsten Spitäler-Dramulett stets das gleiche Muster: Politikziel ist immer öfter das Herstellen von Gefühlslagen und nicht das Bereitstellen von Lösungen.
Damit pervertiert sich die Politik, die eigentlich der Versuch sein sollte, die beste Lösung zu finden - und anschließend den Wähler von dieser zu überzeugen. Das ist im Einzelfall mühselig, anstrengend und auch gelegentlich erfolglos. Stattdessen einfach zu tun, was man für kompatibel mit der Gefühlslage einer Bevölkerungsmehrheit hält, bedeutet weitgehenden Gestaltungsverzicht und Selbstaufgabe der Politik.
Österreich ist, wie die Ereignisse dieser Woche zeigten, diesem Zustand schon recht nahe. Angesichts der eher massiven Problemgebirge, vor denen die heimische politische Klasse steht, ist das eine nur mäßig beruhigende Erkenntnis.