Zum Hauptinhalt springen

Empfänglich für russischen Einfluss

Von Eva Zelechowski

Politik
Wesentlicher Faktor im Medienkampf: RT.
© (Screenshot)

Dem Kreml gelingt es, das Image Russlands in Osteuropa aufzuwerten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wie groß ist der Einfluss russischer Medien auf die Visegrad-Staaten? Eine aktuelle Studie des "International Republican Institutes" (IRI) in der Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn zeigt einen Zusammenhang zwischen den sozio-ökonomischen Unterschieden in den einzelnen Staaten und darin, wie empfänglich sie für russischen Einfluss sind. Rund 4000 Personen wurden in persönlichen Interviews zu den relevantesten Konfliken in ihren jeweiligen Ländern sowie europaweit, zu ihrer Mediennutzung, ihren Einstellungen zur EU und Russland befragt.

"Für einige Aussagen sind die Visegrad-Staaten empfänglicher als für andere", sagte Pavel Fischer, Leiter des tschechischen Meinungsforschungsinstituts STEM beim Round Table "Beacon Project", der vor der Globsec-Konferenz in Bratislava stattfand. Die Initiative "Beacon Project" vernetzt Interessensvertreter und erstellt Werkzeuge zur Untersuchung russischer Falschinformationen und politischer Einmischung. Dazu gehört etwa das eigens dafür entwickelte >versus< media monitoring tool für Online-Aktivitäten, das übrigens zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt wie die aktuelle IRI-Umfrage der V4-Staaten oder "disinfo-HUB", eine Art Facebook für Forscher und Journalisten im Themenfeld russischer Desinformation.

In allen vier Ländern sehen die Befragten Terror und Einwanderung als größte Probleme der EU: 46 Prozent in Tschechien, 44 Prozent in Ungarn, 32 Prozent in der Slowakei und 28 Prozent in Polen. Nicht besonders relevant (im einstelligen Bereich) bewegen sich hingegen Themen wie Frieden und Sicherheit sowie Wirtschaft und Korruption. Auch die Meinung über eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Russland wurde in den Interviews abgefragt. 75 Prozent der Slowaken und 62 Prozent der Tschechen können sich eine solche Allianz vorstellen, die Ungarn sind mit 54 Prozent gespalten. Im Verhältnis dazu zeigen die Polen mit 36 Prozent Zustimmung wenig begeistert.

Russland als Hüter europäischer Werte

Dass Terrorangriffe nicht selten mit Zuwanderung und Flüchtlingen in Europa in Verbindung gebracht werden, ist ein Narrativ, den russische Staatsmedien sowie Politiker der europäischen Extremen Rechten aus FPÖ, Front National oder AfD ähnlich hysterisch bedienen. "Wir schützen traditionelle Werte", lautet der Ruf von rechts. Dass inzwischen "Russland die Rolle des Hüters europäischer Werte eingenommen" hat, denken 41 Prozent der Slowaken. Vergleichsweise groß ist die Skepsis über diese Aussage in Polen (14 Prozent), Ungarn (18 Prozent) und Tschechien (27 Prozent). Dass die EU durch ihre Politik genau diese "traditionellen Werte" vernachlässigt, denkt mehr als ein Drittel der Tschechen (40 Prozent) und Slowaken (36 Prozent).

Medien mit "alternativen Standpunkten"

Der Frust über Entscheidungen der Europäischen Union wird von Nachrichtenkanälen wie RT (ehemals "Russia Today"), "Sputnik" und anderen nicht-traditionellen Medien gerne befeuert. Ein negatives Bild der vermeintlich fehlgeleiteten Brüsseler Politik zu zeigen, ist Ziel und Standard. So haben auch die meisten Menschen, die ihre Informationen hauptsächlich hier holen, ein eher negatives Bild über die EU.

Sind die V4 ähnlich empfänglich für russische Falschinformationen oder transportierte Narrative des Kremls? In der Slowakei glauben jeweils 38 Prozent der Befragten nicht daran, dass Russland Menschen manipulieren will und zeigen kein Interesse daran, dass Russland diese Medienkanäle finanziert.

Generell ist ein Abstieg unter den Zeitungslesern zu beobachten, mehr Menschen (besonders jüngere Generationen) wenden sich dem Internet und Social Media zu, um sich zu infomieren. Fernsehen und Radio halten beharrlich ihren Status, wobei Privatfernsehen immer beliebter wird. Allerdings nimmt der staatliche Rundfunk weiterhin eine wichtige Rolle ein. Auf diese Weise können autoritäre und nationalkonservative Regierungen ihre politische Agenda wirkungsvoll in die Wohnzimmer der Bürger und Wähler kommunizieren.

Interessant ist die wachsende Bedeutung von sozialen Netzwerken als Nachrichtenquelle, die "jeden Tag" oder "oft" genutzt werden: 67 Prozent in Polen und sogar 77 Prozent in Tschechien. Etwa die Hälfte der Befragten wendet sich gerne Medien mit "alternativen Standpunkten" zu (55 Prozent in der Slowakei, 53 Prozent in Polen, 50 Prozent in Ungarn, 39 Prozent in Tschechien).

"Ukraine gehört in den russischen Einflussbereich"

Ein Großteil der Befragten in allen vier Staaten denkt, dass Europas Sicherheit bedroht wird. Sei es durch Terrorismus oder Zuwanderung (72 Prozent in Ungarn, 75 Prozent in Tschechien sowie 68 Prozent in Polen und der Slowakei). Das Interesse für den Ukraine-Krieg ist nicht besonders groß (zwischen 14 und 20 Prozent). Dass die Ukraine zum russischen Einflussbereich gehört und Russland das Recht hat, in politischen Entscheidungen der Ukraine mitzumischen, denken immerhin 29 Prozent der Befragten in Ungarn, 37 Prozent in Polen sowie 43 Prozent in Tschechien und der Slowakei.

"Die Menschen werden in ihrer Angst vor Migranten und Flüchtlingen von propagandistischen Staatsmedien aus dem In- und Ausland bestätigt und das hängt auch damit zusammen, dass sie kaum eine Verbesserung ihrer Lebensstandards feststellen", sagte Russland-Kenner Brian Whitmore von "Radio Free Europe" beim Beacon Project in Bratislava. Die regelmäßige Nutzung EU-kritischer Medien führe häufig zu prorussischen Einstellungen.