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Einen Tag vor der Präsentation des Fortschrittsberichts zur Türkei mehren sich die Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara empfehlen wird. Die Gespräche könnten allerdings an strenge Bedingungen geknüpft werden - was die Türkei ablehnt.
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Kritisch werde der Bericht ausfallen, kritischer als die meisten Beobachter erwarten. Dies kündigte Erweiterungskommissar Günter Verheugen via "Bild"-Zeitung an. Morgen gibt die EU-Kommission ihre Empfehlung über mögliche Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bekannt. Ein Datum wird darin wohl nicht aufscheinen: Wann die Gespräche beginnen können, sollen die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen Mitte Dezember beschließen.
Laut deutschen Medienberichten werde es strenge Bedingungen für den Beitrittsprozess geben. So soll es den EU-Staaten möglich sein, Zuwanderung aus der Türkei jederzeit zu regulieren und zu begrenzen. Ebenso könnte es Beschränkungen bei Agrarsubventionen geben. Bei massiven Menschenrechtsverletzungen sollten die Verhandlungen ausgesetzt werden.
Mit Ablehnung reagierte darauf der türkische Außenminister Abdullah Gül. "Es gibt bestehende Regeln, es gibt frühere Vereinbarungen", kommentierte Gül. "Besondere Bedingungen für die Türkei kommen nicht in Frage."
Unterdessen bemühte sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan weiter, Sorgen vor einem schnellen Beitritt seines Landes zu zerstreuen. Ob die angestrebte Vollmitgliedschaft in zehn oder erst in 15 Jahren Realität werde, sei derzeit nicht vorhersehbar, hatte Erdogan bei seinem Besuch in Deutschland am Wochenende erklärt. Er warne daher vor "unnötiger Aufregung".
Fortschritte bei Reformen
Insgesamt bescheinigt Verheugen der Türkei, bei den politischen und wirtschaftlichen Reformen vorangekommen zu sein. Allerdings würden weiterhin "Mängel" bestehen, insbesondere was die Anwendung der Folter betreffe. Nachholbedarf gibt es unter anderem auch in der Privatisierungspolitik. Ein Beitritt ist nach Verheugens Einschätzung frühestens im Jahr 2015 möglich.
Ein weiterer Diskussionspunkt sind die zu erwartenden Kosten dieser Erweiterung. Nach Schätzungen der EU-Kommission könnten von 2025 an jährlich 28 Milliarden Euro in die Türkei fließen. Die verfügbaren Daten sind aber unvollständig, die Berechnungen beruhen auf Annahmen. So bestritt Verheugen, dass die Kosten für eine Aufnahme der Türkei aus dem Ruder laufen könnten. "Ein Beitritt der Türkei würde keinen Euro mehr kosten, als die Mitgliedsländer tatsächlich dafür aufbringen können und wollen", stellte er gestern klar.
Zwar wollte der Erweiterungskommissar "weder bestätigen noch dementieren", dass er sich in dem Fortschrittsbericht für die Aufnahme von Verhandlungen aussprechen werde. Doch eine positive Empfehlung gilt als gesichert.
Sollten Verhandlungen aufgenommen werden, dann mit dem Willen, sie zum Erfolg zu führen, betonte Verheugen. Es gebe aber "keine Garantie" dafür, dass die Gespräche tatsächlich erfolgreich abgeschlossen würden, fügte er hinzu. Immerhin könne jedes EU-Mitgliedsland den Beitrittsprozess der Türkei jederzeit blockieren.