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Empfehlung statt Pflicht

Von Simon Rosner

Politik
Deutsch als Unterrichtssprache ist Standard, in Oberösterreich soll auch in den Pausen Deutsch gesprochen werden.
© Andreas Pessenlehner

Deutsch als Umgangssprache in der Schule nur als Vorschlag für die Hausordnung.


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Linz/Wien. Die Ankündigung der frischgewählten schwarz-blauen Landesregierung in Oberösterreich, Deutsch als Umgangssprache auf dem Schulgelände vorzuschreiben, hat zuerst einmal für große Aufregung und etliche Fragezeichen gesorgt. Unter anderem: Wie soll das überhaupt durchgesetzt werden?

Nun ist der Plan konkreter und aus der Muss- ist eine Kann-Bestimmung geworden, eine eher schwache noch dazu. Ein Gutachten des Verfassungsdienstes hat ergeben, dass es auf Landesebene keine rechtliche Handhabe gibt, um Deutsch als Umgangssprache vorzuschreiben. Deshalb wird den Schulen nun empfohlen, dies in ihre Hausordnung aufzunehmen. Ob Schulen das auch tatsächlich tun, liegt nun in deren Autonomie beziehungsweise bedarf es eines Beschlusses des jeweiligen Schulgemeinschaftsausschusses, in dem Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter sitzen.

Kritik von Grünen und Sprachforscherinnen

Die von der Landesregierung vorgeschlagene Formulierung zur Ergänzung der Hausordnung lautet: "Schülerinnen und Schüler mit anderer Muttersprache wollen wir mit allen ihren Fähigkeiten in unser Schulleben integrieren. Um Vorurteile und Ausgrenzungen zu vermeiden, werden wir auch außerhalb des Unterrichts Deutsch als gemeinsame Sprache verwenden. SchülerInnen, die unsere Sprache noch nicht so gut beherrschen, unterstützen wir beim Erlernen der deutschen Sprache."

Bei einem Rundruf bei Schulen in Oberösterreich wollten sich die befragten Direktorinnen generell nicht dazu äußern und verwiesen auf den Landesschulrat Oberösterreichs. Deutsch als Umgangssprache in der Schule, heißt es aus diesem, sei ein dezidierter Wunsch der Eltern, aber auch der Schulen gewesen sei, wie Karl Steinparz, Sprecher des Landesschulrats, erklärt.

Kritik an dem Vorhaben kam am Montag von den Grünen. Bildungssprecher Harald Walser nannte es "ignorant und kleingeistig", es sei zudem "gegen jegliche Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung". Auch Eva Vetter, Vorsitzende des Verbandes für angewandte Linguistik, sagte der APA, dass der Ansatz "lerntheoretisch durch nichts zu rechtfertigen" sei. Eine Deutschpflicht führe dazu, dass man den Schülern ihre Stimme nehme und ihre Muttersprache zu einem Defizit reduziere. "Das ist eine Form der Ausgrenzung und nicht lernförderlich", so Vetter.

Der Spracherwerb selbst spiele bei der Deutschpflicht, die, wenn überhaupt, ohnehin nur in die Hausordnung aufgenommen werden soll, gar nicht die Hauptrolle, sagt Steinparz. "Es geht auch darum, dass das Aggressionspotenzial sinkt." Als Beispiel nennt er Situationen in der Pause, in denen eine Gruppe in ihrer Muttersprache miteinander spricht und lacht. Andere Schüler, die diese Sprache nicht beherrschen, könnten dies missverstehen und zum Beispiel als Verspotten werten, was zu Konflikten führen kann. Im Büro des zuständigen Landesrats Thomas Stelzer verweist man darauf, dass es in Österreich bereits jetzt Schulen gebe, die dies in die Hausor dnung aufgenommen haben, darunter auch zwei Schulen in Wien.

Deutsch auf dem Schulhof "nicht bildungsrelevant"

Die Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Gogolin von der Uni Hamburg hält nicht viel von dem Vorschlag. "Die Pause dient ja explizit der Erholung und dafür kann es auch wichtig sein, sich anders zu äußern." In der Schule müsse der Unterricht dafür sorgen, dass die Kinder Deutsch lernen, nicht die Kommunikation im Schulhof. "Das ist nicht bildungsrelevant", sagt die Professorin. Und sie ist auch skeptisch, dass Deutsch als Umgangssprache generell Konflikten vorbeugt.

Laut dem Landesschulrat habe die Herbert-Hoover-Realschule in Berlin, die über eine heterogenen Schülerschaft verfügt, eine ähnliche Regelung, wie sie nun Oberösterreich vorsieht, von sich aus beschlossen und damit 2006 den Deutschen Nationalpreis erhalten. Seit generell nur Deutsch gesprochen werde, gebe es w eniger Konflikte in der Schule, hieß es damals bei der Preisverleihung.

"Die Vermutung, dass das Verbot von Sprachen Konflikten vorbeugt, ist aber dummes Zeug", sagt dazu Gogolin. "Weder gibt es einen Beweis dafür, dass das Frieden stiftet, noch hat irgendwer bewiesen, dass es für die Bildungsentwicklung etwas bringt". Die Entscheidung der Hoover-Schule sei damals ein medialer Hype gewesen, andere Schulen wären diesem Beispiel nicht gefolgt, erzählt Gogolin. In Deutschland sei eine wie immer geartete Deutschpflicht derzeit kein Thema.