US-Pharmafirmen nutzen Monopolstellung bei wichtigen Medikamenten, um saftige Preiserhöhungen durchzudrücken. Jüngster Fall betrifft Spritzen-Set für Allergiker.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Boston. In den USA macht sich zusehends Ärger über die Preispolitik in der Pharmabranche breit: So holt der US-Kongress immer wieder die Verantwortlichen amerikanischer Pharmafirma zu Anhörungen über deren willkürliche Preisgestaltung. Vor allem, wenn es dabei um zu teure lebensrettende Medikamente geht. Beim jüngsten Skandal geht es sogar um das unverantwortliche Handeln der Tochter eines Senators. Ihre Preisgestaltung hat in den Vereinigten Staaten eine Welle der Empörung ausgelöst.
Es geht um ein Spritzen-Set namens EpiPen. Das enthält zwei Spritzen mit Adrenalin - in den USA als Epinephrine bezeichnet, daher der Name. Damit soll sich jeder, auch ein Schüler, selber bei einem Allergieanfall spritzen können. Dem Set ist sogar eine Übungsspritze beigefügt, um das richtige Verhalten trainieren zu können.
Harte Worte aus dem Senat
Zu Beginn des Schuljahrs kaufen viele Eltern allergieanfälliger Kinder dieses Set. Und auch die Schulen stocken ihren Vorrat auf oder wechseln Spritzen nach dem Verfallsdatum aus. Genau zu diesem Zeitpunkt hat die Chefin der Herstellerfirma Mylan den Preis, der bei der Einführung 2007 um die 90 Dollar lag, erneut stark angehoben. Inzwischen kosten die beiden Spitzen nach Angaben der Marktforscher von GoodRX bis zu 633 Dollar.
Verantwortlich für diese ist Heather Bresch, die Tochter des demokratischen Senators Joe Manchin aus West Virginia. Der Senator hat sich zu dem Vorgang nicht geäußert. Seine Tochter ebenso wenig. Allerdings werde Mylan auf die Briefe und Anfragen aus dem US-Kongress reagieren, versprach Firmensprecherin Nina Devlin am Mittwoch. Am Donnerstag gab Mylan bekannt, dass alle, die den EpiPen zum teuren Preis gekauft hätten, einen Gutschein über 300 Dollar erhalten würden.
Eine der Senatoren, die sich gegen den Willkürpreis einsetzte, ist Charles Grassley aus Iowa. Der Republikaner ist Vorsitzender des Rechtsausschusses im Senat. Er sagte: "Der Zugang zu Epinephrine kann den Unterschied von Leben und Tod bedeuten, vor allem bei Kindern." Es gehe im Übrigen auch um Steuergelder, unterstrich der Senator. Denn die Schulen seien per Gesetz verpflichtet, solche Notfallmedikamente vorzuhalten.
Mylan wurde zwar in West Virginia gegründet. 2014 verlegte Bresch den Firmensitz aber in die Niederlande, da die Steuern dort niedriger sind. Ihr Unternehmen kann EpiPen so teuer verkaufen, wie es will. Es gibt dafür in den Vereinigten Staaten keine Regulierungen. Und nur Mylan stellt dieses Produkt massenweise her. Die staatliche Medikamentenaufsicht FDA hatte zunächst anderen Firmen erlaubt, eine generische Version herzustellen, diese Genehmigung aber später zurückgezogen, sodass Mylan quasi ein Monopol hat.
Das lohnt sich. Die Einnahmen Mylans durch den EpiPen steigen von 200 Millionen Dollar jährlich auf inzwischen eine Milliarde. Und auch Heather Breschs Gehalt hielt mit: von 2,5 Millionen Dollar 2007 auf 18,2 Millionen im vergangenen Jahr.
Ein weiteres Beispiel, das in den USA und weltweit für Empörung gesorgt hat, war die Firma KaloBios. Ihr Manager Martin Shkreli, hob im vergangenen Jahr den Preis für das einzige verfügbare Medikament gegen eine gefährliche Parasiteninfektion von 13,50 Dollar auf 750 Dollar an. Er weigerte sich, im US-Kongress dazu Stellung zu nehmen. Shkreli wurde wegen anderer Verfehlungen angeklagt. Die Firma KaloBios ist inzwischen pleite.
Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sieht eine Parallele bei KaloBios und Mylan. Die Anhebung des Preises für den EpiPen um mehrere hundert Prozent sei "empörend. Und das ist nur das jüngste besorgniserregende Beispiel für eine Firma, die Verbraucher übervorteilt."