Im Oktober findet in Wien die erste Europäische Lesben Konferenz statt.
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Wien. Viele Lesben fühlen sich im Rahmen der LGBTI-Szene (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Intersexual Persons) nicht ausreichend vertreten. Auch dort gebe es eine patriarchale Struktur, meinen lesbische Aktivistinnen wie Michaela Tulipan, Dagmar Strauss, Ewa Dziedzic und Mariella Müller. Lesben seien dadurch weniger sichtbar als schwule Männer.
Das führe dazu, dass auch ihre Anliegen weniger ernst genommen würden und Diskriminierungen an der Tagesordnung seien. Mehr Bewusstsein soll nun eine erstmals im kommenden Oktober veranstaltete Konferenz europäischer Lesben in Wien bringen. Das Ziel: mehr Sichtbarkeit und Empowerment.
Sichtbar wird die stiefmütterliche Behandlung von Lesben zum Beispiel beim europäischen Dachverband für Lesben, Schwule Bi-, Trans- und Intersexpersonen ILGA. Von rund 500 hier zusammengeschlossenen Vereinen seien gerade einmal drei lesbisch, betont Müller. Über Jahre habe es bei der jährlichen Konferenz keinen einzigen spezifischen Lesbenworkshop gegeben. Bei der bisher letzten Tagung vergangenen Herbst in Nikosia (Zypern) gab es schließlich doch einen solchen Workshop, an dem auch Müller teilnahm. Der Tenor: "Wir wollen jetzt nicht mehr nur darüber sprechen, wo wir stehen, sondern wir wollen etwas tun."
Zurück in Wien gründete Müller gemeinsam mit anderen Lesben-Aktivistinnen wie eben Tulipan und Dziedzic den in Österreich angesiedelten Verein "European Lesbian* Conference" (EL*C). Er organisiert gemeinsam mit einem internationalen Team von Frauen aus Frankreich, Italien, Deutschland, der Schweiz, Moldawien, Rumänien, Mazedonien, Albanien und Serbien von 6. bis 8. Oktober im Donauhof Wien in der Leopoldstadt den gleichnamigen Kongress. Langfristige Ziele sind aber auch die Gründung eines Europäischen Lesbendachverbands, die bessere Vernetzung von Lesben, die Einrichtung einer Expertinnendatenbank und die Erstellung eines Jahrbuches.
Bis zu 400Teilnehmerinnen erwartet
Rund 300 bis 400 Teilnehmerinnen erwarten die Organisatorinnen im Oktober in Wien. "Dabei geht es auch darum, sich zu zeigen, präsent zu sein und anderen lesbischen Frauen Mut zu machen", meint Strauss. Experten gehen davon aus, dass fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell sind.
Umgelegt auf Wien hieße das, dass es zwischen 45.000 und 90.000 lesbische Frauen gebe. Wobei Lebenskonzepte und das Ausleben von Sexualität heute immer fluider werde, wie Dziedzic betont: Manche Frauen seien ihr ganzes Leben lesbisch, andere hätten sowohl heterosexuelle als auch lesbische Beziehungen.
Insgesamt habe sich die Lesbenszene in den vergangenen 15 Jahren sehr verändert, erzählt auch Müller. Mit dem Kampf um Anerkennung ging oft auch eine scharfe Abgrenzung durch ein markantes Äußeres einher. "Butch-Lesben" nennt man die sehr maskulin auftretenden Lesben mit markanten Kurzhaarschnitten.
Heute gebe es viele auch sehr feminine lesbische Frauen. Diese werden allerdings, selbst wenn sie Händchen-haltend durch die Straßen gehen, oft nicht einmal als lesbisch gelesen, so Müller. Sie erfahren auch weniger offene Diskriminierung und Aggression als eben etwa zwei Butch-Lesben. Dennoch sind sie aber massiven Ungleichbehandlungen ausgesetzt.
Worin liegt aber nun konkret die Diskriminierung lesbischer Frauen? "Lesben erfahren Mehrfachdiskriminierung: Einerseits als Frauen - Stichwort: gender pay gap - und zusätzlich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung", sagt Müller. Lesbische Frauen würden oft nicht ernst genommen - und ihre Sexualität herabgewürdigt.
Während schwule Männer in Österreich bis in die 1970er Jahre hinein für das Ausleben ihrer Sexualität inhaftiert werden konnten, war Frauen lesbische Sexualität zwar erlaubt, sie wurde aber als "gegenseitige Hygienehandlungen" klassifiziert, so Tulipan. "Das war ein Kleinmachen. Na gut, ihr dürft das, aber wenn ihr das macht, ist es keine Sexualität." Diese Haltung sei bis heute zu spüren. Dem stimmt auch Dziedzic zu. Schwule Männer würden in der Gesellschaft als größere Bedrohung gesehen. Bei lesbischen Frauen schwinge oft mit, "die kann man ja vielleicht noch hinbiegen".
KaumRole Models
Vielleicht ist auch darauf der Umstand zurückzuführen, dass sich weniger Frauen in Top-Positionen als homosexuell outen als Männer (wobei es eben auch weniger Frauen als Männer in Führungspositionen gibt). Damit gibt es auch weniger Role Models.
"Wer fällt uns denn ein?", fragt Müller. Die Runde denkt nach. Am Ende fällt der Name Ulrike Lunacek. Müller fällt ein, "da gibt es diese Schispringerin". Tulipans Replik: "Ja eben, diese Schispringerin." Schließlich ist doch der Name gefunden - Daniela Iraschko-Stolz. Dass kaum lesbische Frauen in der Bevölkerung breiter bekannt seien, hängt für Dziedzic damit zusammen, "dass man es sich einmal leisten können muss, das Private politisch zu leben. Viele Frauen können sich das nicht leisten, sei es, dass sie in irgendwelchen Abhängigkeitsverhältnissen sind, sei es, dass sie Angst haben vor Diffamierung, vor Diskriminierung, sei es, weil sie es als Frau eh schon schwieriger haben, die gläserne Decke zu durchbrechen. Und dann hängt man sich nicht noch eine Diskriminierungskategorie um."
Oder man werde nur mehr auf dieses Thema reduziert, gibt Müller zu bedenken. Dann werde nicht mehr die Expertise und Qualifikation gesehen, sondern nur mehr, dass die Person lesbisch sei.
Die Konferenz im Oktober soll hier nun eben entsprechendes Bewusstsein schaffen - allgemein, aber auch bei homosexuellen Männern. Dass sie Lesben im Rahmen gemischter LGBTI-Vereine ebenfalls diskriminieren, sei vielen schwulen Männer gar nicht klar, mutmaßt Dziedzic.
"Sie blenden Frauen nicht bewusst und absichtlich aus. Aber die Lebensrealitäten von Frauen sind für sie nicht sichtbar. Es ist eine Männerwelt, grundsätzlich. Wir leben in einem Patriarchat, in dem Männerbünde wirken."