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Ende der Funkstille in Ostasien

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren treffen sich Spitzenpolitiker von Japan und Südkorea zu bilateralen Gesprächen.


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Tokio. Zum ersten Mal seit ihren Amtsantritten vor dreieinhalb Jahren trafen sich am Montag die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye und der japanische Premierminister Shinzo Abe zu bilateralen Gesprächen. Die Vertreter der Nachbarländer bekräftigten, ihre angeschlagene Beziehung zu verbessern und Differenzen um historische Schuld bald beilegen zu wollen. Nach einem trilateralen Treffen mit dem chinesischen Premierminister Li Keqiang am Vortag hatten die drei Nationen bereits in einer Erklärung verkündet, dass die Beziehungen "vollständig wiederhergestellt" seien.

Park empfing Abe zu einem separaten Treffen am Montag im Blauen Haus, ihrem Amtssitz in Seoul. Dabei sprachen sie wider Erwarten auch kritische Punkte an, wie die Frage der "Trostfrauen". So wurden zehntausende Frauen aus Asien genannt, darunter viele aus Korea, die die japanische Armee im Zweiten Weltkrieg zur Prostitution zwang. Lange hatte die südkoreanische Präsidentin ein Treffen mit Abe, der als erzkonservativer Nationalist und Geschichtsrevisionist gilt, verweigert. Als Voraussetzung hatte sie eine Entschuldigung Abes für die Sexsklavinnen gefordert. Zuletzt hatte Abe in seiner Erklärung im August, 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, eine persönliche Entschuldigung für Japans Kriegsgräuel mit geschickten Wortspielen vermieden. Auch beim bilateralen Treffen kam es nicht dazu. Allerdings signalisierten beide Seiten Offenheit für weitere Gespräche.

Die Beziehung zwischen Japan und Korea ist seit Jahren schwierig. Immer wieder flackern Territorialkonflikte auf. Beide beanspruchen eine kleine Inselgruppe, die seit mehr als 60 Jahren von Südkorea verwaltet wird, für sich. Japan nennt sie Takeshima, Südkorea spricht von Dokdo. Beide Länder nutzen den Konflikt, um Patriotismus bei ihren eigenen Landsleuten zu wecken. Doch was die Beziehung zwischen Seoul und Tokio vor allem belastet, ist Japans Umgang mit der Schuld der Kriegsvergangenheit. Diese wird weniger aufgearbeitet als vielmehr im öffentlichen Diskurs in Japan möglichst unterdrückt.

Japan hatte Korea von 1910 bis 1945 zur Kolonie gemacht. Hinzu kam, dass japanische Soldaten Zehntausende Frauen - von bis zu 200.000 ist die Rede - systematisch in Frontbordelle gezwungen hatten, einige mit Waffengewalt, andere durch Betrug. Man hatte ihnen häufig Arbeit in Fabriken und Krankenhäusern versprochen. Erst in den 1990ern wagten sich die ersten Koreanerinnen, mit ihrem erfahrenen Leid an die Öffentlichkeit. Entschuldigungen von japanischer Seite seither wies Südkorea stets als nicht aufrichtig zurück. Kompensationszahlungen seien nicht genug der Sühne, hieß es von Seite der Opfer oft.

"Stolperstein" Sexsklavinnen

Laut einer Sprecherin der Präsidentin nannte Park die Frage der Sexsklavinnen den "größten Stolperstein" im bilateralen Verhältnis. Abe sagte nach dem 100-minütigen Treffen mit Park vor Reportern, dass man sich darauf geeinigt habe, Gespräche darüber zu beschleunigen. Man wolle dies auf eine Art und Weise lösen, die sowohl für die Opfer als auch die koreanische Öffentlichkeit akzeptabel sei, sagte Park.

Hinter der plötzlichen Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, dürfte auf beiden Seiten eine ähnliche Motivation stecken. Die Annäherung der Nachbarn ist der erklärte Wunsch der USA. Angesichts der wachsenden Macht Chinas und der Unberechenbarkeit Nordkoreas möchte Präsident Barack Obama auf seine wichtigsten Bündnispartner in Asien zählen können. Dazu müssen sie zumindest miteinander kommunizieren. Beim Treffen mit Park sprach Abe die zunehmende Spannung im südchinesischen Meer an. Er signalisierte die Bereitschaft Japans, an der Seite von Seoul und Washington die Freiheit der Meere sicherzustellen.

Der zweite Grund für die Wiederannäherung dürfte wirtschaftlicher Natur sein. Korea und Japan sind wichtige Handelspartner. Die Konflikte belasten die Handelsbilanzen. Im Vorfeld des trilateralen Gipfels am Sonntag hatten sich bereits die Handelsminister der drei Länder getroffen, auch sie zum ersten Mal seit 2012. Sie kündigten an, Verhandlungen zu mehreren Freihandelsabkommen voranzutreiben.