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Ende der Noten und Wiederholungen

Von Brigitte Pechar

Politik

Direktorin Heidi Schrodt: "Wir brauchen einen Kulturbruch." | Förderunterricht für begabte und schwache Schüler. | Wien. Bereits kommende Woche soll die Expertenkommission im Unterrichtsministerium Vorschläge zur inhaltlichen Ausgestaltung der Neuen Mittelschule (NMS) vorlegen. Heidi Schrodt, Direktorin des Gymnasiums Rahlgasse in Wien Mariahilf und Mitglied der Expertenkommission, wünscht sich, dass vom Ministerium kein allzu enger Rahmen vorgegeben wird. Die Schulen sollen möglichst eigenständige, Modelle entwickeln. Schrodt nennt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" einige Kernbereiche, die an dieser NMS angewendet werden sollen.


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Lehrplan: Der Lehrplan wird ident sein mit jenem der AHS-Unterstufe (Realgymnasium). Dort ist aber nur Englisch als Fremdsprache vorgesehen. Falls die Modellschulen oder die Eltern das wollen, kann durchaus Latein oder eine andere lebende Fremdsprache angeboten werden.

Die 50-Minuten-Stunden werden aufgehoben.

Innere Differenzierung: Die Klassen oder Gruppen sollen möglichst nicht homogen sein. "Gerade die Hochbegabten werden nur dort gut gefördert, wo nach oben alles offen ist", sagt auch Enja Riegel, die ebenfalls Mitglied der Expertenkommission ist und in Wiesbaden eine sehr erfolgreiche Gesamtschule aufgebaut hat. Gute Schüler können so schon weiter geführt werden im Stoff, schwächere Schüler werden durch gute angespornt und erhalten Förderstunden.

Leistungsbeurteilung und Individualisierung: Es sollte möglichst keine Ziffernnoten geben, sagt Schrodt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese keine präzisen Schlüsse über Wissen und Fortschritte der Schüler geben. Allerdings soll es eine laufende Überprüfung der Leistung durch Lernstandardgespräche geben. Zu Beginn soll eine Eingangsdiagnose gestellt werden. Festgelegte Mindeststandards - und zwar schultypenunabhängig - helfen bei der Überprüfung. Für jedes einzelne Kind soll ein Plan erstellt werden, wo es wann im Lauf des Schuljahres stehen soll. Über die Fortschritte wird eine laufende Dokumentation geführt.

Am Ende der vier Jahre werden verschiedene Abschlüsse stehen, differenziert in Berechtigung zum Besuch einer höheren oder mittleren Schule oder des Polytechnikums.

Sitzenbleiben: Klassenwiederholungen sollen möglichst verhindert werden. Schüler, die in einem Fach schwach sind, sollen mehr Zeit erhalten, die Mindeststandards zu erfüllen. Zudem verweist etwa Kommissionsleiter Bernd Schilcher darauf, dass durch Vermeidung von Sitzenbleiben, das pädagogisch unsinnig ist, auch enorme Kosten gespart werden: In den USA kostet ein Schulabbrecher 450.000 Dollar. In Österreich werden die Kosten für etwa 40.000 Repetenten pro Jahr auf 600.000 Euro (für die öffentliche Hand und die Eltern) geschätzt.

Lehrer: Hauptschul- und AHS-Lehrer sollen gemeinsam unterrichten. Beide behalten ihr geltendes Dienstrecht. Es wird sowohl Fachunterricht als auch sehr viel fächerübergreifenden Unterricht geben - wobei Projektunterricht, in den mehrere Fächer eingebunden sind, eine wichtige Rolle spielt. "Es braucht kompetente Lehrkräfte, die auch die Möglichkeit erhalten müssen, ihr Spektrum zu erweitern", sagt Schrodt. Sehr wichtig wird Teamteaching sein. Außerdem soll ein gleichbleibendes Lehrerteam die Schüler vier Jahre lang betreuen. "Sie erhalten dadurch größere Verantwortlichkeit, größere Nähe zu den Schülern. Der Erfolg stellt sich fast von selbst ein", sagt Riegel.

Am Ende der Diskussion wird eine gemeinsame Lehrerausbildung stehen - zumindest für die Sekundarstufe I.

Ganztagsschule: Zusatzangebote für die Kreativität der Schüler - wie Theatergruppen - und der andersartige Unterricht, der mit Freizeit abwechselt, braucht mehr Zeit. Die Experten empfehlen daher Ganztagsschulen für die NMS. "Natürlich muss da auch die Schularchitektur Schritt halten", erklärt Schrodt. Die Kinder brauchen mehr Raum, um sich entfalten zu können.

Schulautonomie: "Es muss ein Kulturbruch her", sagt Schrodt. Das Ministerium dürfe nicht wie bisher alle Details regeln. Das führe derzeit sehr oft zum vorzeitigen Ende von Schulversuchen. Die Direktoren müssen sich für ihr Projekt Lehrer aussuchen können. Aber auch die Schulleitung brauche eine fundierte Managementkultur. Seite 12