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Ende der politischen Endlosschleife?

Von Michael Schmölzer

Politik

Israel: Netanjahus Gegner eint nichts als eine profunde Abneigung gegen den Premier. Die Frage ist, ob das reicht.


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Zu viele in Israel haben das System Benjamin Netanjahu ganz offensichtlich satt. Das trifft nicht nur auf die Menschen zu, die den wegen Korruption Angeklagten lieber heute als morgen aus dem Amt gedrängt sehen würden. Auch die Chefs jener Parteien, die zuletzt in Ramat Gan fieberhaft versuchten, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, eint nichts anderes eine tiefe Abneigung gegen "King Bibi", wie der Premier genannt wird. Sie wollen das Ende eines politischen Dauerpatts, das Israel lähmt. Vier Wahlen haben keine Entscheidung herbeiführen können, jetzt wäre eine fünfte im Raum gestanden. Das Land ist seit mehr als zwei Jahren in einer Endlosschleife gefangen.

Und alles hängt an der Person Benjamin Netanjahu. Der Nationalkonservative hat für eine enorme Polarisierung im Land gesorgt. Die Gegner zeichnet ein enormer Ingrimm gegen den 71-Jährigen aus, seine Fans stärken ihm leidenschaftlich den Rücken. Es kursierten zuletzt bereits Gerüchte, wonach sich bei einer etwaigen Angelobung einer Anti-Netanjahu-Regierung ähnliche Szenen wie vor dem US-Kapitol abspielen könnten.

Zunehmend untragbar

Zuletzt ist der wegen Bestechung, Betrug und Veruntreuung angeklagte Netanjahu politisch immer untragbarer geworden. Dazu kamen die Kritiker, die Netanjahu Missmanagement in der Corona-Pandemie vorwarfen - auch wenn er rasch große Mengen an Impfstoff herbeigeschafft hat.

Die Gegner Netanjahus kommen immer häufiger aus der Mittelschicht, sie werfen ihm nicht nur autoritäre Tendenzen vor, sondern sehen den Premier als "Diktator" und wollen sein "korruptes System", das das Volk bestehle, rasch beendet sehen.

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Jetzt wird sich weisen, ob die Antipathie gegen Netanjahu als gemeinsame politische Klammer ausreicht. Am Dienstag wurde in Ramat Gan bei Tel Aviv um die Postenverteilung gerungen und es war zuletzt nicht klar, ob eine Anti-Netanjahu-Koalition wirklich angelobt wird. Die politischen Positionen der einzelnen Fraktionen könnten verschiedener nicht sein. So steht der als neuer Premier gehandelte Naftali Bennet Netanjahu ideologisch meilenweit näher als seinem neuen "Freund", Oppositionschef Yair Lapid.

Der Zeitdruck war enorm: Sollte Lapid erfolgreich sein, muss sich die neue Regierung innerhalb von sieben Tagen einer Vertrauensabstimmung stellen. Aber auch wenn die politische Alternative zu Netanjahu Wirklichkeit werden sollte: Der Premier ist als Überlebenskünstler bekannt und wird nichts unversucht lassen, das bunt zusammengewürfelte Bündnis zu torpedieren, um wieder an die Macht zu kommen.

Allerdings sind auch Netanjahus versammelte Gegner politisch mit allen Wassern gewaschen: Bennetts religiöse Rechtspartei Jamina hat bei den Wahlen im März nur mäßig abgeschnitten, durch geschicktes Taktieren hat er sich als "Königsmacher" inszenieren können. Und nun greift er selbst nach der Macht. Anfang Mai lehnte Bennett Netanjahus Angebot ab, im Wechsel mit ihm Regierungschef zu werden. Am Sonntag schlug er sich dann auf die Seite des liberalen Oppositionschefs Yair Lapid. Bennett soll in einem Rotationsverfahren das Premiersamt als Erster übernehmen, dann würde Lapid folgen.

Dagegen wollten Netanjahus Helfer juristisch vorgehen - umsonst. Und auch für die Palästinenser ist Bennett ein rotes Tuch. Der Hardliner meinte einmal, dass palästinensische "Terroristen getötet und nicht freigelassen" werden sollten.

Herzog gegen Peretz

Während sich politische Umwälzungen anbahnen, wählt die Knesset ein neues Staatsoberhaupt. Bei der Präsidentenwahl tritt Ex-Oppositionsführer Yitzhak Herzog gegen die Lehrerin und Aktivistin Miriam Peretz an. Der Sieger übernimmt ab dem 9. Juli das Amt des bisherigen Präsidenten Reuven Rivlin. Das Staatsoberhaupt hat in Israel zwar eine vor allem repräsentative Funktion, gerade bei der Bildung einer neuen Regierung kommt ihm aber eine wichtige formale Bedeutung zu. Er oder sie wird alle sieben Jahre vom Parlament bestimmt.

Israelische Medien haben vor der Wahl ausführlich die großen Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten herausgestrichen: Der als Favorit geltende Herzog ist Mann, Repräsentant der aus Europa stammenden Elite und säkular. 2018 wurde er Vorsitzender der Hilfsorganisation Jewish Agency, die unter anderem für Einwanderung nach Israel zuständig ist. Peretz hingegen ist eine Frau aus einfachen Verhältnissen, religiös und Galionsfigur orientalischstämmiger Juden in Israel. Und sie gilt als volksnah.