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Ende der Selbstfindung

Von Matthias Nagl

Politik

Ein neuer Vorsitzender soll der Tiroler SPÖ mehr Zugkraft verleihen. Außerdem sollen der Blick auf die Kernklientel geschärft und die Mitsprache ausgebaut werden.


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Innsbruck. Seit gut einem Jahr befindet sich die Tiroler SPÖ nun in der Opposition. Erstmals, seit die Tiroler Sozialdemokraten als Juniorpartner in der Regierung mit der ÖVP von den Grünen abgelöst worden sind, bietet die schwarz-grüne Koalition dieser Tage eine Angriffsfläche. Über das Wochenende kamen nämlich erstmals auch aus hochrangigen ÖVP-Kreisen Stimmen für eine Skigebiets-Erschließung des Ruhegebiets Kalkkögel nahe Innsbruck. Die Grünen haben versprochen, dass es dieses Projekt während ihrer Regierungszeit nicht geben wird, die Koalition erlebt also eine Belastungsprobe.

Doch die SPÖ, mit 13,7 Prozent trotz eines historischen Tiefpunkts größte Oppositionspartei, ist nicht in Angriffslaune, sie ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Zwar wird das der Partei schon seit dem Abschied aus der Regierung nachgesagt, nun hat das aber nachvollziehbare Gründe. Am Samstag hält die SPÖ ihren Landesparteitag ab und möchte dort wieder in eine aktive Rolle in der Landespolitik finden.

Dazu soll die Partei erstmals seit dem Abtritt von Ex-Landeshauptmann-Stellvertreter Hannes Gschwentner vor zwei Jahren einen gewählten Vorsitzenden bekommen. Einziger Kandidat ist Ingo Mayr, Bürgermeister der kleinen Gemeinde Roppen im Bezirk Imst. In den vergangenen zwei Jahren hat Gerhard Reheis, Klubobmann im Landtag, die Partei geführt. Mit Reheis als Spitzenkandidat verlor die SPÖ bei der Landtagswahl 1,7 Prozentpunkte. Er war es auch, der im Parteivorstand Mayr als seinen Nachfolgekandidaten vorschlug.

"Ich lege mir die Latte tief", sagt Mayr. "Ab 51 Prozent" der Delegiertenstimmen wäre er zufrieden. Mit der Kür des 48-Jährigen würde sich die Partei auf ihre Kernklientel konzentrieren. Mayr ist Gewerkschafter und Betriebsratsvorsitzender beim AMS Tirol. In Tirol hat die SPÖ auch in den Städten Probleme, zuletzt waren die Grünen etwa in Innsbruck bei Landtags-, Nationalrats- und EU-Wahl jeweils stärkste Partei. Die Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl 2018 ist mit der Wahl zum Vorsitzenden nicht verbunden, auch Mayr selbst will sich nicht festlegen. Er sagt aber: "Wenn man in den kommenden vier Jahren gute Arbeit leistet, wird es wohl so werden."

Reheis Amtszeit war abseits vom Landtagswahlkampf geprägt von parteiinternen Streitereien. Noch vor der Wahl gab es Konflikte um die Listenerstellung. Nachdem er den Vertrauensmann Georg Dornauer als Partei-Geschäftsführer gegen Widerstände installiert hatte, geriet Reheis im März selbst in die Kritik. Als klar war, dass er die Parteiführung abgeben wird, wurde auch sein Vorsitz im Landtagsklub in Frage gestellt. Sein Stellvertreter Thomas Pupp brachte sich als Gegenkandidat in Stellung, brachte im Klub aber keine Mehrheit zustande.

Für Parteireform braucht es Zwei-Drittel-Zustimmung

Nun will Reheis mit Mayr Partei und Klub in einer Doppelspitze führen. Öffentliche Diskussionen über parteiinterne Themen sollen trotzdem der Vergangenheit angehören. "Wichtig wird sein, dass wir mit einer Stimme sprechen. Das wird die meine sein", kündigt Mayr an. Reheis kann sich als gelungenes Projekt eine Parteireform zuschreiben, die der scheidende Obmann noch selbst angestoßen hat und die beim Parteitag mittels Statutenänderung fixiert werden soll.

Für die Annahme der Reform ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. "Ein Grundprinzip wird sein, dass es mehr Mitspracherecht für alle Mitglieder geben wird. Außerdem wollen wir wieder mehr bei den Menschen draußen sein. Wir waren in den letzten Jahren zu sehr mit uns selbst beschäftigt", erklärt Mayr im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Die derzeitige Führungsspitze hat angekündigt, dass man durch die Reform nach links rücken wolle. Zudem will die Landespartei "demokratischer, offener, schlagkräftiger, weiblicher und jünger" werden. Bei der Listenerstellung sind laut dem Reform-Entwurf etwa künftig alle Mitglieder eingeladen, auf Bezirkskonferenzen und dem Landesparteitag die Kandidaten selbst zu wählen und zu reihen. 25 Prozent der Funktionäre in allen Gremien und auf allen Listen sollen künftig unter 35 Jahre alt sein. "Ein Signal für die Jungen, dass sie viel mehr miteinbezogen werden", sagt Mayr. Die Frauenquote soll 50 Prozent ausmachen.

Die schwarz-grüne Koalition offenbart Bruchlinien

Doch nicht nur die Tiroler SPÖ ist aktuell mit ihrem eigenen Zustand beschäftigt, der Landesregierung geht es nicht anders. Einige Liftbetreiber machen Druck für einen Zusammenschluss von Skigebieten durch das Ruhegebiet Kalkkögel. Am Wochenende hatte sich mit Landesrat Johannes Tratter erstmals ein ÖVP-Regierungsmitglied für das Projekt ausgesprochen. Für die Grünen ist das ein No-Go, sie wollen sich bei diesem Thema keinen Zentimeter bewegen.

Auch ein anderes Seilbahnprojekt im Pitztal bringt Sand ins Getriebe der schwarz-grünen Tiroler Regierungspartnerschaft. Dafür dürfte laut "Tiroler Tageszeitung" Tempo 100 auf der Inntalautobahn so gut wie fix sein, um ein teilweises Lkw-Fahrverbot mit EU-Recht vereinbar zu machen. Dass es im Gegenzug bei Kraftwerksprojekten zu Erleichterungen kommen könnte, dementieren die Grünen. Für den designierten SPÖ-Chef Mayr sind diese Uneinigkeiten quasi ein Einstandsgeschenk.