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Ende der "strategischen Partnerschaft"

Von Martin Malek

Gastkommentare
Martin Malek ist Politikwissenschafter mit der früheren Sowjetunion als Hauptarbeitsgebiet. Eine Langfassung des Textes wurde als "Policy Brief" der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik veröffentlicht: www.oegfe.at/policybriefs

Empfehlungen an die EU in der Ukraine-Krise.


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Krieg begleitet Wladimir Putins Herrschaft über Russland seit ihrem Beginn: Dem zweiten Militäreinsatz in der separatistischen nordkaukasischen Republik Tschetschenien ab Sommer 1999 hatte er eine Welle der Popularität zu verdanken, die ihn bald darauf in den Kreml trug. Im August 2008 marschierten russische Truppen in Georgien ein, und im gleichen Monat erkannte der Kreml die separatistischen Provinzen Abchasien und Südossetien als "unabhängige Staaten" an. Die Reaktionen aus den westlichen Hauptstädten sowie aus EU und Nato auf diese klaren Völkerrechtsverletzungen sowie auf die folgende russische Nichteinhaltung eines "Friedensplanes" waren sehr zurückhaltend. Das hat Putin Anfang 2014 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Entscheidung, auch die Grenzen der Ukraine mit Gewalt zu verschieben, sehr erleichtert.

In Brüssel sollte man sich zu der Einsicht durchringen, dass die "Wahrheit" über den Konflikt nicht in der "Mitte" zwischen den offiziellen Positionen Kiews und Moskaus liegt. Faktum ist nämlich: Moskau ist mit militärischer Gewalt gegen die Ukraine vorgegangen, um einen Teil ihres Territoriums an sich zu bringen und ihre Teilnahme an der europäischen Integration zu behindern. Dennoch wollen signifikante Teile der politischen und wirtschaftlichen Eliten in der EU und ihren Mitgliedsländern so rasch wie möglich zurück zum "Business as usual" mit Putin. Dieser weiß das natürlich - und nutzt es geschickt aus.

In Westeuropa immer noch populäre Losungen wie "Man kann Sicherheit in Europa nicht gegen, sondern nur mit Russland aufbauen" ignorieren, dass Moskau nicht ein Teil der Lösung, sondern des Problems ist. Die Anhänger solcher Slogans haben es auch bisher verabsäumt, eine praktikable Strategie für die "Einbindung" eines Landes vorzuschlagen, das Grenzen mit Gewalt verschiebt.

Putins Russland hat bei seiner Vorgangsweise auf der Krim und dann im Donbass keinen nennenswerten Widerstand des Westens wahrgenommen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich Putin irgendwann wieder auf "Abenteuer" einlässt - und dann vielleicht sogar gegen EU-Mitglieder (wie die kleinen baltischen Staaten), was der Union die wohl größte Herausforderung ihrer Geschichte bereiten würde.

Die EU wäre gut beraten, klar und deutlich zu ihren Werten zu stehen - auch und gerade in einer Zeit, in der das nicht einfach ist und viele nach "Pragmatismus" gegenüber Russland rufen. Und sie sollte, schon alleine um Putins künftige wirtschaftliche Basis für neue außenpolitische Abenteuer zu schmälern, ein Programm zur Reduzierung der Abhängigkeit von russischen Energieträgern und zur Diversifizierung der Versorgung ausarbeiten und so rasch wie möglich umsetzen.

Und schließlich wäre es an der Zeit einzubekennen, dass die in der EU lange vorherrschende Vorstellung von Russland als "strategischem Partner" nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Vielmehr bedarf es einer proaktiven Politik der EU an der Stelle demonstrativ zurückhaltender und verspäteter Reaktionen auf die jeweils letzten politischen, wirtschaftlichen, propagandistischen und militärischen Aktionen des Kremls.