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Ende der Wehrpflicht - Ende des Bundesheeres?

Von Karl Majcen

Gastkommentare

Wird es beim Bekenntnis der wesentlichen Entscheidungsträger wie Bundespräsident und Bundesminister zur Wehrpflicht bleiben, wenn nicht nur Experten sonder Zahl sich zum Problem des zweckmäßigsten Wehrsystems für Österreich zu Wort melden, sondern auch die "terribles simplificateurs" die Szene betreten?


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Man kann sich mit der bewährten Erfahrung wappnen: "Man soll etwas nicht aufgeben, ehe man nicht was besseres an seine Stelle setzen kann." Noch dazu, wo es keinen Beweis dafür gibt, dass das Bundesheer jemals einen konkreten Auftrag nicht hätte erfüllen können. Dies könnte auch entscheidungsleitend sein, wenn an das Erfüllen jener Forderungen gedacht wird, die erst garantieren, jenes Berufsheer zu erhalten, von dem in vielen Vorschlägen die Rede ist.

Beim nun so oft bemühten Verweis auf das Verhalten anderer Staaten wird man sich daran erinnern, dass es seit Bestehen des Bundesheeres zum Standardrepertoire in der öffentlichen Diskussion gehörte, dass Vergleiche mit den Streitkräften anderer Staaten, wegen der speziellen österreichischen Gegebenheiten, unzutreffend seien: Das galt bei den Ausgaben für die Landesverteidigung, das galt bei der Einführung des Zivildienstes, das galt bei diversen Beschaffungsvorhaben etc. Aber jetzt ist der Hinweis auf Entscheidungen in anderen Staaten plötzlich en vogue! Von einem Bemühen, die jeweiligen rechtlichen, sicherheitspolitischen, demografischen, budgetären etc. Gegebenheiten zu vergleichen, um Entscheidungen anderswo bewerten zu können, ist nichts zu bemerken.

Im übrigen muss man auch das Zusammentreffen von zwei Ursachensträngen für die Debatte erkennen und richtig bewerten. Einerseits das Problem bei der Umsetzung der Empfehlungen der Reformkommission unter Helmut Zilk mit dem Bemühen, davon zu retten, was noch zu retten ist, und, damit zusammenhängend, das "Werben" für eine radikale Wendung zum behaupteten Besseren - nämlich dem Berufsheer. Dabei treffen sich manche Experten, die schon lange mit einem Bundesheer aus Berufssoldaten den "Ärger mit den Wehrpflichtigen" vermeiden wollen, mit jenen, die in Kalkül mit dem österreichischen Umgang mit Heeresfragen den Weg zum Berufsheer als entscheidend für das Ende des Heeres betreiben. Beide Gruppen bemühen dabei die Schlagworte Effizienzsteigerung und Lageanpassung.

Fast 60 Jahre Heeresgeschichte können allerdings als Beweis dafür genommen werden, dass ein Grundproblem des Heeres, nämlich genügend Kaderpersonal sowohl zu kriegen als es auch rechtzeitig wieder loszuwerden, niemals ernsthaft angegangen wurde. Ohne dies zu lösen, braucht man gar nicht erst anzufangen. Man soll die losgetretene Debatte nützen, um sich ernsthaft Vorstelllungen nicht nur darüber zu machen, was das Bundesheer als können soll, sondern auch darüber, was nötig ist, um es zukunftstauglich zu machen; also erkannte Fehler beheben und bestehende Mängel beseitigen. Der Umstieg auf ein Berufsheer bedeutet unter österreichischen Gegebenheiten den Anfang vom Ende eines Heeres, das diesen Namen verdient.

Karl Majcen war Generaltruppeninspektor des Österreichischen Bundesheeres.